Landwirtschaftlicher Hauptverein für Ostfriesland e.V.

07.07.2014

Regionalkonferenz zur Weiterentwicklung des Biosphärenreservats “Niedersächsisches Wattenmeer“

Stefan Wenzel, Jürgen Rahmel (Dezernatsleiter des Biosphärenreservates) und Erich Hinrichs (v. l. n. r.). 195 Kb
Sven Ambrosy, Landrat im Kreis Friesland.
Sven Ambrosy, Landrat im Kreis Friesland. 183 Kb
Etwa 90 Interessierte fanden sich im Jeverschen Schloss ein.
Etwa 90 Interessierte fanden sich im Jeverschen Schloss ein. 214 Kb
Dort fand die Regionalkonferenz zur Weiterentwicklung des Biosphärenreservates Niedersächsisches Wattenmeer statt. 204 Kb
Niedersachsens Umweltminister erläuterte seine Vorstellung der Weiterentwicklung. 188 Kb
Verschiedene Interessengruppen z. B. aus den Bereichen Tourismus, Naturschutz, Landwirtschaft oder Fischerei kamen zu Wort.
Verschiedene Interessengruppen z. B. aus den Bereichen Tourismus, Naturschutz, Landwirtschaft oder Fischerei kamen zu Wort. 201 Kb
Erich Hinrichs stellte die landwirtschaftlichen Aspekte dar.
Erich Hinrichs stellte die landwirtschaftlichen Aspekte dar. 194 Kb
Peter Südbeck, Leiter des Nationalparks und Biosphärenreservats. 181 Kb

Erich Hinrichs: Statement aus Sicht der Landwirtschaft

Seit einigen Jahren wird diskutiert, dass dem Biosphärenreservat "Niedersächsisches Wattenmeer" eine eindeutige Festlegung einer Entwicklungszone auf der Landseite fehlt, in der modellhaft Projekte der nachhaltigen Entwicklung auf regionaler Ebene demonstriert werden sollen.

 

Bislang ist die Entwicklungszone nicht geographisch festgelegt worden. Beholfen haben wir uns mit der Definition einer funktionalen Entwicklungszone. Das fand auch die UNESCO sehr innovativ und war bislang mit dieser Lösung auch zufrieden.

 

Der Nationalpark "Niedersächsisches Wattenmeer" ist 280.000 ha groß. Nach den Regeln für Entwicklungszonen an Land für marine Biosphärenreservate hätte eine solche Entwicklungszone dann eine Größe von 140.000 ha zu haben.

 

Besonders betroffen von einer solchen geographischen Zonierung wäre die Landwirtschaft als wichtigster Flächennutzer. Nun verlangt die UNESCO aber auch, dass die Weiterentwicklung auf Freiwilligkeit beruhen und gemeinsam mit den hier wirtschaftenden und lebenden Menschen ausgestaltet werden soll.

 

Die Landwirte stehen zu der Idee einer funktionalen Entwicklungszone und auch zu neuen Projekten im Sinne der Nachhaltigkeit. Dazu gehören die entsprechenden Projekte der LEADER- und IleK-Regionen entlang der Küste oder aus landwirtschaftlicher Sicht die beiden großen Projekte des Grünlandzentrums in Ovelgönne, "Systemvergleich Milch" und das Weidemilchprojekt, das in diesem Frühjahr angelaufen ist. Die Landwirtschaft ist also bei einer Weiterentwicklung einer funktionalen Entwicklungszone dabei.

 

Sie lehnt aber nach meiner festen Überzeugung eine geographische Festlegung einer Entwicklungszone und die Ausweisung neuer Schutzgebiete kategorisch ab. Ich glaube, dass schon die Masterarbeit zu den Perspektiven einer Entwicklungszone aus landwirtschaftlicher Sicht von Frau Bruns am Institut für Landschaftsökologie der Uni Oldenburg, die von der Nationalparkverwaltung mitbetreut wurde, die Riesenvorbehalte der befragten Landwirte klar ergeben hat. Diese Vorbehalte haben nicht nur etwas mit Emotion zu tun. Sie sind auch rational sehr begründet.

 

Diese Begründung will ich Ihnen in der verbleibenden Zeit liefern.

Anfangen in der Begründung der ablehnenden Haltung möchte ich mit Widersprüchen aus dem Bundesnaturschutzgesetz, bei dem wir in § 25 etwas zu Biosphärenreservaten finden. Hier wird bei den Zonierungen nicht nach schutzwürdigen Bereichen unterschieden. Das Bundesnaturschutzgesetz gibt eindeutig vor, dass die Zonen eines Biosphärenreservats wie Naturschutzgebiete oder Landschaftsschutzgebiete zu schützen sind. Damit wird aus unserer landwirtschaftlichen Sicht dem Naturschutz ein deutlicher Vorrang eingeräumt, der der Gleichgewichtung von Umwelt, Wirtschaft und Sozialfaktoren, wie für Biosphärenreservate gefordert, eindeutig widerspricht.

 

Mit dem jetzigen Bundesnaturschutzgesetz dürfen wir uns als Landwirte überhaupt nicht auf eine geographische Zonierung einer Entwicklungszone einlassen. Der Landwirtschaft würde ein immenser Schaden entstehen durch weitere Einschränkungen für die Landnutzung und durch weitere Einschränkungen in der Verfügbarkeit über landwirtschaftliches Eigentum. Wir Landwirte hoffen sehr, dass die Kommunen diesen Einwand begreifen und auf unserer Seite stehen und sich nicht durch vage Fördermittelzusagen auf glattes Terrain locken lassen.

 

Bei Schutzgebietsmeldungen sind wir Landwirte ohnehin gebrannte Kinder. Im Zuge von Natura 2000 verlangte die EU im Wechselspiel mit den Umweltverbänden die Meldung von riesigen Vogelschutzgebieten. Mit einer Beschwichtigungstaktik wurden die Einwände der betroffenen Landwirte weggewischt. Die mildeste Form der Umsetzung über Vertragsnaturschutz wurde zugesagt. Diese Zusagen sind längst vergessen. Mittlerweile werden für die Vogelschutzgebiete nach und nach Verordnungen für Landschaftsschutzgebiete beschlossen. Der Spielverderber soll wieder die EU sein, die das so eingefordert.

 

Innerhalb der Landschaftsschutzgebiete sollen die ökologischen Leistungen der Landwirte durch Agrarumweltmaßnahmen honoriert werden. Aber hier sind die Finanzausstattungen begrenzt, längst nicht alle Schutzgebiete sind von der Förderkulisse erfasst und über die richtige Höhe der Förderung gibt es Diskussionen, weil die Förderung der volatilen Entwicklung auf den Agrarmärkten nur mit deutlicher Verzögerung folgt.

 

Viele unserer Vogelschutzgebiete liegen in unmittelbarer Küstennähe. Es gibt Wechselwirkungen mit dem Wattenmeer bezüglich der Habitatansprüche der Avifauna. Dies spricht für eine funktionale Entwicklungszone, aber niemals für eine großflächige Unterschutzstellung.

 

Blicken wir zum Abschluss noch auf die wirtschaftliche Situation der Landwirtschaft entlang der niedersächsischen Nordseeküste und auf ihr landwirtschaftliches Potential.

Die besten Ackerböden unserer Küstenlandkreise finden wir direkt hinter dem Deich. Das sind die durch Eindeichung und Landgewinnung entstandenen jungen Seemarschen. Das sind hervorragende Standorte für Weizen-, Kartoffel- oder Rapsanbau, in der Qualität vergleichbar mit den Lößböden der Hildesheimer oder Magdeburger Börde. Diese Standorte haben in der Saatkartoffelproduktion besondere Bedeutung als Gesundlagen (Carolinensiel und Leybucht). Auf den älteren Marschstandorten sind die Tonanteile des Bodens höher. Dieses sind hervorragende Grünlandstandorte. Auf den meistens arrondierten Einzelgehöften ist Milchviehhaltung auf überwiegender Grünlandbasis und Weidegang in den Sommermonaten Standard und wird es auch bleiben.

 

Die landwirtschaftlichen Familienbetriebe auf diesen Standorten sind überwiegend für den Wettbewerb auf globalisierten Märkten gut gerüstet. Häufig erzielen sie zusätzliche Einkommen im Bereich der regenerativen Energien und im Betriebszweig "Ferien auf dem Bauernhof".

 

Auf zusätzliche Förderprogramme, die über die Fläche wirken, z. B. durch die angekündigte Wiederbelebung der Ausgleichszulage in benachteiligten Gebieten, darf dieser Küstenstreifen nicht hoffen. Die Qualität des Bodens schließt die Zugehörigkeit zu dieser Förderkulisse aus.

 

Agrarmärkte sind heute global vernetzt. Aktuell profitieren z. B. die Milchbauern von der steigenden Nachfrage nach Milchprodukten auf asiatischen Märkten mit Preisen, die auf dem Binnenmarkt niemals zu erzielen wären. Weltweit sind die Perspektiven der Landwirtschaft hervorragend. Sie wird dringend gebraucht und muss effizienter werden, d. h. vor allem produktiver. Warum? Die Antwort ist ganz einfach:

Der Bedarf an Lebensmitteln weltweit steigt schneller als die Produktion. Die Zeit von Überschüssen und Dauerniedrigstpreisen bei Agrarprodukten ist vorbei. Langfristig hohe Energiepreise, hohe Getreide- und Futtermittelpreise und Flächenknappheit werden charakteristisch für die Zukunft sein, nicht nur bei uns, sondern weltweit. Daraus könnte auch eine Riesenchance für die Grünlandnutzung auf Weidebasis entstehen. Unter Kostengesichtspunkten ist Weidegras als Futter für Milchvieh unschlagbar. Wir sind gespannt auf die Ergebnisse des Systemvergleichs "Milchviehhaltung".

 

Generell können wir festhalten:

Die landwirtschaftlichen Betriebe der Küstenlandkreise schielen nicht auf Nischenmärkte oder Regionalvermarktung und neue Experimente mit Labeln. Die Masse der Betriebe kommt so ganz gut zurecht. Aber die Ausweisung neuer Schutzgebiete, das können sie nicht gebrauchen. Das würde ungeheure Risiken und minimale Chancen bringen. Bei innovativen Projekten in der Landwirtschaft und für Natur- und Klimaschutz zur Weiterentwicklung eines wirtschaftlich funktionierenden Biosphärenreservats sind sie gerne dabei, aber nur in einer funktionalen Entwicklungszone.

 

Gez.: Erich Hinrichs

Jever, 07.07.2014

 

(Es gilt das gesprochene Wort)

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