Landwirtschaftlicher Hauptverein für Ostfriesland e.V.

26.04.2019

CDU-Abgeordnete informieren sich zum Thema Wolf

Als typischen ostfriesischen Bauernhof würde Familie Dorstmann ihren Betrieb nicht beschreiben. Eine Kuh wird man bei ihnen nicht finden, dafür jedoch eine Menge anderer Tiere, wie z.B. Legehennen oder Hähnchen und „Berrichon du Cher“ - dahinter verbirgt sich der Name der Schafrasse, die Familie Dorstmann züchtet.

Die CDU-Abgeordneten Gitta Connemann MdB, Ulf Thiele MdL und Helmut Dammann-Tamke MdL haben sich auf dem Hof von Familie Dorstmann über mögliche Folgen der Wolfsrückkehr informiert und mit einigen Weidetierhaltern diskutiert.

Für den Hofnachfolger Marten Dorstmann ist der Umgang mit dem Wolf eine existentielle Frage, da er mit seinen Eltern den Betrieb zukunftsfähig aufstellen will. Sein Herz hängt an der Schafzucht, aber nicht, um damit Wölfe zu füttern. „Sobald der Wolf unsere Schafe angreift, werden wir mit der Schafhaltung aufhören. Eine reine Stallhaltung ist für uns nicht tiergerecht und daher keine Option.“ stellt Marten Dorstmann klar.

Familie Dorstmann verdeutlicht, dass bei allem Idealismus und einem Stundenlohn weit unter dem Mindestlohn am Jahresende trotz dem etwas übrig bleiben muss. Der Beruf des Schäfers steht genauso auf der Roten Liste wie einige Schafrassen, deshalb brauchen gerade junge Schäferinnen und Schäfer volle Rückendeckung der Politik.

Conni und Martin Dorstmann, Gitta Connemann, Ulf Thiele, Helmut Damann-Tamke und Marten Dorstmann (v.l.n.r.)
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Der Wolf in Ostfriesland?

Es gab bereits mehrere Wolfsichtungen in Ostfriesland, mehrere Wolfsrissverdachtsfälle und folgende nachgewiesen vom Wolf verursachte Risse:

14. September 2017, Moormerland, 1 Rind

02. Juni 2018, Norden/Ostermarsch, 1 Mutterschaf, 2 Lämmer verendeten deswegen

19. Juli 2018, bei Bunde, 20 tote Schafe, 4 verletzte Schafe

29. Juli 2018, Westoverledingen-Driever, 1 Schaf

11. Oktober 2018, Bunde, 1 Rind

Ein Wolfsrudel lebt in Meppen, quasi vor der ostfriesischen Haustür. Ein Wolf kann immerhin bis zu 70 km in einer Nacht zurücklegen.

Wie lange dauert es noch, bis sich auch in Ostfriesland ein Rudel ansiedelt?

 

Der Wolf versus ostfriesische Besonderheiten

Folgende Punkte zum Thema Wolf sind gemäß der ostfriesischen Tierhalter zu berücksichtigen:

 

Ostfriesland ist eine Grünlanderegion

Über 60 % Grünland sind in Ostfriesland zu finden. Diese Flächen sind nicht ackerfähig, d.h. es gibt keine Alternative zur Haltung grasfressender Tiere. Für viele Tierhalter geht es daher um die nackte Existenz, sie haben keine Alternative, ihre Flächen anders zu bewirtschaften. Der hohe Grünlandanteil macht Ostfriesland zu einer Milchregion.

 

Weidehaltung

Sie hat in Ostfriesland nach wie vor eine große Bedeutung und ist Teil der Kulturlandschaft: in Ostfriesland gehören weidende Rinder zum Landschaftsbild, ebenso wie Schafe auf den Deichen typisch sind. Und auch der Verbraucher fordert weidende Kühe. Schätzungen ergeben, dass etwa 70 Prozent der ostfriesischen Milchviehhalter ihre Kühe weiden lassen.

 

Zuchttradition

Rinder-, Pferde- und Schafhaltung ist (auch aus historischer Sicht) sehr wichtig, ostfriesische Rinder-, Schaf- und Pferdezüchter sind für ihre Zuchterfolge und ihre Tiere weltbekannt.

80% der in Ostfriesland gehaltenen Schafrassen gehören zu den vom Aussterben bedrohten Nutztierrassen. Der Erhalt seltener Rassen wird sogar finanziell gefördert. Seltene Tierrassen sollen einerseits geschützt, aber für den Wolf dürfen sie andererseits geopfert werden? Ein toter Bock bedeutet den Verlust einer ganzen Zuchtlinie und jahrelange Erhaltungsarbeit ginge verloren.

Weiterhin ist auch die Mutterkuhhaltung in Ostfriesland in einem recht hohen Maß parallel zur Milchviehhaltung oder im Nebenerwerb sowie als Hobbyhaltung anzutreffen. Mutterkuhhaltung ist realistischerweise auch nur mit Weidenutzung praktikabel, erbringt auch die allgemeinen Vorteile der Weidewirtschaft (Artenvielfalt auf den Wiesen, Wiesenbrüterschutz) und liefert wertvolle Beiträge zum Erhalt der Fleischrinder-Rassevielfalt.

 

Deus mare, Friso litora fecit (Gott schuf das Meer, der Friese die Küsten)

Ostfriesland liegt unter bzw. in Höhe des Meeresspiegels. Der Deich schützt circa 200.000 Hektar Fläche. Den Schafen kommt an der Küste eine ganz besondere Rolle zu: Sie sind Deichschützer. Ihr "goldener" Tritt ist für die Deichpflege elementar. Sie halten die Grasnarbe kurz und treten den Boden fest. Eine Alternative für diese umweltfreundliche naturnahe Pflege gibt es nicht!

Gemäß NLWKN umfasst in Niedersachsen die Hauptdeich-Linie an der Küste 610 Kilometer. Insgesamt gibt es mehr als 1000 Kilometer Deiche an den Küsten, an den tidebeeinflussten Flussmündungen und auf den Inseln.

 

Wallhecken

Etwa 5700 Kilometer Wallhecken sind allein in Ostfriesland zu finden. Sie gehören zur ostfriesischen Kulturlandschaft und prägen auch die Landwirtschaft. Die Wallhecken schränken die landwirtschaftliche Nutzung ein. Die Flächen sind in diesen Gebieten klein strukturiert. Flächengröße von unter einem Hektar findet man häufig. Die Unterschutzstellung der Wallhecken erlaubt nur selten die Zusammenlegung aneinander liegenden Flächen zu einer größeren Bewirtschaftungseinheit.

 

Schutzmaßnahmen und Folgen

Die oben genannten ostfriesischen Besonderheiten sind bei der Bewertung der Schutzmaßnahmen zu berücksichtigen. Allgemein lässt sich sagen, dass die Förderung die Kosten der Schutzmaßnahmen nicht deckt. Schutzmaßnahmen und Schadensersatzforderungen sind mit einem hohen und langwierigen Bürokratieaufwand verbunden. Dazu kommen die Folgekosten, z.B. das Freihalten der Zäune usw. Das KTBL hat 2017 die Kosten der einzelnen Maßnahmen ermittelt, siehe https://www.ktbl.de/inhalte/themen/tierhaltung/tierart/weitere/kleine-wiederkaeuer/herdenschutzmassnahmen0 

Eine wissenschaftliche Analyse hinsichtlich der Sicherheit der Schutzmaßnahmen liegt bisher nicht vor. Es gibt allerdings Fälle, in denen Wölfe hohe Zäune übersprungen haben, selbst im Stall wurden bereits Tiere gerissen. Auch Esel und Herdenschutzhunde wurden schon durch Wölfe getötet. Mehrfach mussten Aussagen wie "Der Wolf springt nicht gern.", "Der Wolf ist ein Nachttier.", "Der Wolf lebt nur in Wäldern." oder "Der Wolf geht nicht in bewohnte Gebiete." revidiert werden.

Eine Einordnung der Schutzmaßnahmen aus praktischer Sicht gibt der Beitrag "Herdenschutz: An der Küste schwierig" von Dieter Voigt in der Zeitschrift "Schafzucht" 1.2019, S. 8-11.

 

Zaunbau

Die Flächen sind in Ostfriesland relativ klein strukturiert und hohe Zäune würden regelrecht die Landschaft zerschneiden, es entsteht eine Art Gefängnis-Charakter, auch entlang von Gräben und Tiefs müssen Zäune aufgestellt werden. Wie hoch müssten die Zäune erst an Wallhecken sein? Sie könnten dem Wolf ja als Sprungschanze dienen.

Etwa ein Fünftel der Fläche in Ostfriesland unterliegt einem Schutzgebietsstatus. Diese erlauben in der Regel keine relief-verändernden Maßnahmen (dazu gehört auch höherer Zaunbau). D.h. der Zaunbau müsste zunächst beantragt und schließlich auch genehmigt werden (zusätzliche Kosten). Ähnlich verhält es sich mit dem Untergrabschutz an Deichen und Wallhecken. Sie dürfen und können nicht einfach aufgegraben werden. Unklar ist das Eingraben des Zauns bei Grünland, da wendende Bodenmaßnahmen bei Grünland genehmigungspflichtig sind.

Seeseitig darf/kann ein Deich nicht eingezäunt werden. Da der Wolf ein guter Schwimmer ist, bildet das Meer keinen natürlicher Schutz.

Viele Schafhalter erhalten im Herbst und Winter zum gegenseitigen Nutzen die Gelegenheit, Flächen von Milchviehhaltern als Nachweide für ihre Schafe zu beweiden. Es handelt sich dabei in der Regel um eine Kurzzeitweide auf wechselnden Flächen, so dass eine Einzäunung dieser Flächen völlig unverhältnismäßig wäre. Außerdem würden die Flächenbesitzer umfangreiche Einzäunungsarbeiten nicht zulassen können.

Pferdezäune müssten quasi doppelt gesetzt werden, innen der tiergerechte Pferdezaun, außen der wolfsabweisende Zaun. Nur einer der beiden Zäune reicht nicht.

Weiterhin stellt sich die Frage, was der flächendeckende Zaunbau für die Wildtiere bedeuten würde? Wie sollen sie sich bewegen können? Unsachgemäße aufgebaute Zäune stellen bereits jetzt ein Problem dar.

 

Herdenschutzhunde

Herdenschutzhunde sind sehr teuer in der Anschaffung und im Unterhalt. Das können sich insbesondere kleinere Betriebe und Hobbytierhalter nicht leisten. Überdies können sie nur im Bereich der Schafhaltung eingesetzt werden, nicht bei Rindern und Pferden. Der ausgeprägte Beschützerinstinkt dieser Tier könnte zudem gefährlich für Fremde werden. D. h. in einem touristisch stark frequentierten Bereich wie die ostfriesische Nordseeküste dürfen die Urlauber dann nicht mehr auf den Deich.

 

Psychische Belastung

Die materiellen Schäden sind das eine, die emotionalen Folgen etwas ganz anderes. Keiner will über eine Weide laufen, auf der die Gedärme der Tiere verteilt sind oder traumatisierte Tiere einschläfern lassen. Zwei klare Ansagen zum Thema Wolf hört man von den hiesigen Tierhaltern: "Wenn der Wolf kommt, bleiben meine Tiere im Stall." oder "Wenn der Wolf kommt, gebe ich die Tierhaltung auf."

Und auch die Tiere leiden. Sie fressen nicht mehr und sind apathisch. Es kommt zu Fehlgeburten. Im schlimmsten Fall müssen sie eingeschläfert werden. Bei einem Riss eines Mutterschafes kann es dazu kommen, dass deren Lämmer verenden, weil sie zu alt sind, um an Amme oder Flasche gewöhnt zu werden und zu jung, um ohne Mutter zu überleben.

Hervorzuheben ist die zudem die besondere Belastung für die Kinder der Landwirtsfamilien. Sie haben bereits in sehr jungen Jahren eine enge Beziehung zu den Tieren des Hofes und übernehmen früh Verantwortung, indem sie sich um pflegebedürftige Tiere kümmern, z.B. Flaschenlämmer, kleine Zwillingskälber usw. Ein Wolfsüberfall auf die geliebten Tiere ist für Kinder ein außergewöhnlich traumatisches Erlebnis.

 

Rechtliche Situation

Wer kommt für Schäden des Wolfes auf? Z. B. was passiert, wenn Tiere in Panik ausbrechen und Autounfälle oder Zugunglücke verursachen?

Tierhalter sind in der Pflicht, dafür Sorge zu tragen, dass es ihren Tieren gut geht und vor Leiden bewahrt werden. Die Einhaltung der der Tierschutzbestimmungen wird von den Veterinärämtern streng kontrolliert. Bei den Wolfsrissen spielt das Tierleid offensichtlich keine Rolle, von Menschen gezüchtete und gehaltene Nutztiere werden mit Wildtieren gleichgesetzt.

 

Unsere Forderungen

Nicht jede Region ist für den Wolf geeignet. Es geht nicht generell gegen den Wolf oder um eine erneute Ausrottung. Es geht darum, dass nicht jede Region wolffähig ist. Regionen mit viel Weidehaltung, Küsten mit den Deichen, dicht besiedelte Gebiete dürfen nicht zur Heimat eines Wolfes werden. Es zeigt sich immer wieder und immer häufiger, dass die Weidetiere nicht geschützt werden können.

Da der Wolf weit wandern kann (bis zu 70 km/Nacht), kann es nicht genügen, nur die Deiche wolfsfrei zu halten. Das Hinterland muss ebenfalls berücksichtigt werden.

Hervorzuheben ist überdies, dass es den Tierhaltern nicht um Geld geht. Der Verlust eines Tiers durch einen Wolfsriss ist nicht mit finanziellen Mitteln wettzumachen. Die Aussage, dass es ja Entschädigungen für Tierhalter gäbe, missachtet die Beziehung die der Tierhalter zu seinen Tieren aufbaut hat und die Wirkungslosigkeit von Schutzmaßnahmen. Das gilt nicht nur für Hobbytierhaltung, sondern auch für Nutztierhaltung. Ein Hochzüchter mit einem Bestand 120 Milchkühen zum Beispiel, kennt jede Kuh, weiß um ihre Herkunft, weiß, welche Macken sie hat usw.

Daher fordern die ostfriesischen Weidetierhalter zusätzlich zum Forderungspapier des Aktionsbündnisses Wolf (www.aktives-wolfsmanagement.de):

Sorgen und Nöte der Weidetierhalter ernst nehmen

Keine Duldung des Wolfes entlang der Küste

Keine Duldung des Wolfes in grünlanddominierten Regionen

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