Landwirtschaftlicher Hauptverein für Ostfriesland e.V.

12.12.2014

Delegiertenversammlung 2014

Wahlen und Öffentlichkeitsarbeit waren die beherrschenden Themen der diesjährigen Delegiertenversammlung des LHV.

Gewählt wurden jeweils mit großer Mehrheit Erich Hinrichs als Präsident und Justus Ackermann als Vize-Präsident.

Zur Öffentlichkeitsarbeit in der Landwirtschaft referierte Gastredner Werner Schwarz, Präsident des Bauernverbandes Schleswig-Holstein und DBV-Vizepräsident.

Gut gefüllt war der Saal bei de Wall in Holtrop. 143 Kb
Neben den Delegierten folgten eine Vielzahl von Ehrengästen der Einladung des LHV. 155 Kb
Nach Begrüßung und Geschäftsbericht erklärte Wilko Meyer, einer der Rechnungsprüfer, das alles odnungsgemäß sei. 121 Kb
Einstimmig wurde der Vorstand entlastet.
Einstimmig wurde der Vorstand entlastet. 149 Kb
Gedankt wurde den offenen Höfen 2014, hier Amos und Jan Venema. 128 Kb
Auch Familie Janssen war dabei.
Auch Familie Janssen war dabei. 131 Kb
Ebenso wie Frerich Meyenburg. Der Dank geht auch an Familie Smit, die aus Zeitmangel nicht persönlich dabei sein konnten. 125 Kb
Die Wahlen wurden von Peter Dirksen geleitet.
Die Wahlen wurden von Peter Dirksen geleitet. 128 Kb
Zunächst die Wahl zum Präsidenten. Zur Wahl stand Erich Hinrichs. 142 Kb
Im Anschluss die Wahl zum Vize-Präsidenten. Zur Wahl stand Justus Ackermann. 152 Kb
Erich Hinrichs und Justus Ackermann wurde beide mit großer Mehrheit wiedergewählt. 236 Kb
Erich Hinrichs dankte für das Vertrauen und stellte klar, dass dies seine letzte Amtszeit sei. 125 Kb
Während der Pause wurde die Gelegenheit zum Austausch genutzt, hier z.B. mit Johann Saathoff MdB. 125 Kb
Auch Heiko Schmelzle MdB war zu Gast.
Auch Heiko Schmelzle MdB war zu Gast. 126 Kb
Gastredner Werner Schwarz referierte zum Thema „Bauern unter Beobachtung – wie man uns sieht und was wir tun können“ 128 Kb
Interessiert hörten die Delegierten zu. 130 Kb
Schwarz erläuterte, dass Landwirte das WIE, WAS und WARUM zeigen müssen, ... 145 Kb
... sonst täten es andere. 151 Kb
'Das Bild moderner Landwirtschaft wird von unseren Kritikern gemalt.' (Schwarz)
'Das Bild moderner Landwirtschaft wird von unseren Kritikern gemalt.' (Schwarz) 141 Kb
'Wir müssen den Pinsel wieder in die Hand nehmen!' (Schwarz) 154 Kb
Schwarz nannte vier Säulen der Öffentlichkeitsarbeit: Glaubwürdigkeit, Transparenz, Echtheit und Ehrlichkeit 154 Kb
Landwirte müssen sich mehr engagieren: 'Machen ist immer besser als kritisieren.' 170 Kb
Landwirte sollten Präsenz zeigen, z.B. im Internet (My KuhTube, Facebook, Twitter usw.) 158 Kb
Erich Hinrichs bedankte sich bei Werner Schwarz und beendete mit Wünschen für ein frohes Weihnachtsfest und einem glücklichen neuen Jahr die Sitzung. 225 Kb
Carl Noosten, Manfred Tannen, Peter Dirksen, Justus Ackermann, Werner Schwarz und Erich Hinrichs (v.l.n.r.)

Bericht des Friesischen Rundfunks

 

Unter dem Titel "LHV zieht Bilanz" berichtet der FRF über die Delegiertenversammlung: Link zum Beitrag

Agrarpolitischer Bericht 2014 von Erich Hinrichs

(Es gilt das gesprochenen Wort)

 

„Wer friert uns diesen Moment ein, besser kann es nicht sein“, in diese Liedzeilen stimmte wochenlang die begeisterte deutsche Fußballgemeinde nach dem Gewinn des Weltpokals am 13. Juli in Rio de Janeiro ein.

 

Ähnliche Gedanken kommen bei uns Bauern auf, wenn wir an den Witterungsverlauf von 2014 denken: früher Erntebeginn, fast immer ideales Erntewetter, gute Futter- und Getreideerträge, extrem frühe Getreideernte ohne Regenunterbrechung an der Küste, erstklassige Silomaiserträge, überdurchschnittliche Temperaturen bei wenig Niederschlag von September bis November mit unwahrscheinlichem Graswachstum und langer Weideperiode im Herbst, so gut wie keine Strukturschäden an den Böden.

 

Wenn der Klimawandel uns jedes Jahr solche Witterungsabläufe bescheren würde, daran würden wir uns gerne gewöhnen. Wir würden jedoch auch schnell noch dazu lernen, und einiges dann anders machen. Zum Beispiel würden wir uns mit der Wintergetreidebestellung wesentlich mehr Zeit lassen. Wer auf die Erfahrung setzte, dass gutes Wetter beizeiten zu nutzen sei und Anfang September die Gerste und den Weizen aussäte, der macht sich jetzt doch einige Sorgen um die Bestände. Manche früh gesäten Bestände liefen sehr ungleichmäßig auf, viele sind überwachsen, viel zu mastig und weit entwickelt und bereits von Pilzen befallen. Auch an Virusübertragung durch Blattläuse ist zu denken. Auch manche Grünlandfläche geht zu üppig in den Winter. Auch die Feldmäuse haben vom milden und trockenen Herbst profitiert und weisen einen hohen Populationsstand auf. Sorgen wegen Auswinterungsschäden sind nur zu berechtigt zu Beginn des Winters.

 

Es gab nur eine Woche, die uns in diesem Sommer beim Wetter nicht behagte, das war die zweite Maiwoche mit ca. 130 mm Niederschlag in 5 Tagen. Bei nicht wenigen Grünlandbauern war zu diesem Zeitpunkt der erste Schnitt noch nicht unter der Folie. Nach dem großen Regen war die Erntemenge zwar gewaltig, der Energie- und Rohproteingehalt aber nur noch bescheiden. Dort, wo gewaltige Überlieferung im letzten Quotenjahr droht, mag dies noch gewisse Vorteile bringen. Beabsichtigt war die vielfach eingeschränkte Qualität des ersten Grünlandschnitts sicherlich nicht.

 

Rückblickend auf dieses Erntejahr und auf die letzten beiden Wirtschaftsjahre dürfen wir Bauern in Ostfriesland mit Einschränkungen in der Aussage für den Schweinebereich recht zufrieden sein. Deshalb ist auch keine Panik angesagt, wenn wir auf den Agrarmärkten jetzt zunächst auf schwierige Zeiten zusteuern.

 

Beim Getreide ist weltweit phantastisch gut geerntet worden. Die Rekordernte zeichnete sich bereits im Frühjahr ab und drückte die Preise in der Ernte. Wer aber, z. B. für das Mischfutter für die Schweine und die Kühe auf weiter fallenden Preise gehofft hat, der sieht sich in diesem Herbst getäuscht. Die Preise haben die Talsohle durchschritten. Die Perspektive verändert sich auf die Erkenntnis: große Ernten drücken zwar auf den Preis, sie werden aber auch für die Weltversorgung gebraucht. Die Exporte von Getreide in die klassischen Importländer Nordafrikas und in die arabischen Staaten laufen auf Rekordniveau.

 

Völlig unerwartet kauft auch China große Mengen an Gerste und Futtergetreide. Das alles trägt nach und nach zur Preisbefestigung bei und berechtigt für den Getreidemarkt zu Optimismus für die kommende Saison. Erstaunlich ist, dass selbst die niedrigen Ölpreise die Getreidepreise nicht unter Druck setzen. Autofahrern und Bauern sind niedrige Ölpreise dabei nur sehr recht, zumal sie sicherlich nicht dauerhaft so niedrig bleiben.

 

Für Ostfrieslands Landwirtschaft ist die Entwicklung am Milchmarkt natürlich enorm wichtig. Im letzten Jahr hatten wir eine extrem günstige Situation mit dem höchsten Erzeugerpreis, den wir jemals registriert haben. Bis zum September setzte sich dies auch in diesem Jahr fort. Die niedersächsischen Molkereien zahlten durchschnittlich 38,2 Cent/kg (ohne MwSt), das war noch mehr als im Vorjahr. Die tollen Preise kamen vom Weltmarkt, vom Inlandsverbrauch in der EU wurden sie in keiner Weise begünstigt.

 

In diesem Herbst hat sich die Marktsituation jetzt aber drastisch und nicht unbedingt überraschend total gedreht. Der Rohstoffwert ist durch den Verfall der Pulver-, Butter- und Käsepreise unter 30 Cent/kg gefallen. Der Milchmarkt ist durch die Weichenstellungen in der Agrarpolitik, besonders durch die Agrarreformen ein globaler Markt geworden, von dem der europäische Markt in keiner Weise abgekoppelt ist. Das hohe Preisniveau hat weltweit die Produktion stimuliert. Mit dem Ende der europäischen Quotenregelung hatte dies aber rein gar nichts zu tun. In der EU, in den USA, in Neuseeland, Australien, Chile, Uruguay wurden in den ersten 7 Monaten des Jahres 6,5 Mio. t mehr Milch angeliefert. Trotz weltweit steigenden Bedarfs, war diese Produktionsausweitung zu rasant und erzeugte zunehmend Preisdruck.

 

Das Exportembargo Russlands im Zuge der Ukraine-Krise vom 7. August hat dem Umschwung dann richtig Dynamik verliehen. Auch wenn die deutschen Molkereien wegen vorgeschobenen veterinärrechtlichen Problemen nicht mehr viel nach Russland exportierten, waren sie genauso von der Umlenkung der Handelsströme betroffen. Natürlich hat der Lebensmitteleinzelhandel die Situation sofort für sich genutzt und den Verbrauchern zu günstigen Einkaufsmöglichkeiten verholfen.

 

Trotz des drastischen Rückgangs der Milcherzeugerpreise besteht kein Anlass zu Schwarzmalerei. Die Preise sind zwar niedrig. Der Absatz ist aber gut und es werden keine Lagerbestände aufgebaut. An den langfristig guten Aussichten hat sich nichts geändert. Aber vor Mitte des nächsten Jahres ist auch keine wirkliche Preiserholung in Sicht. Preisentwicklung hat auch immer viel mit Psychologie zu tun. Da ist es völlig kontraproduktiv, die Preise noch zusätzlich herunter zu reden und die Krise herbeizureden. Leider beteiligen sich einige landwirtschaftliche Verbände an diesem unguten Spiel. Der Bauernverband und auch der LHV werden definitiv nicht in dieses unverantwortliche Horn tuten.

 

Die deutschen Milchbauern sind bei der Produktionsausweitung an erster Stelle dabei. Ihre Anlieferung liegt aktuell um mehr als 4 Prozent über der Quotenlinie. Eine Strafabgabe in Rekordhöhe ist zum Auslaufen der Milchquote in Deutschland nicht mehr vermeidbar. Da die meisten Mitgliedsstaaten der EU ihre Quoten nicht ausnutzen, waren Beschlüsse auf EU-Ebene, das „hard-landing“ für die deutschen Milcherzeuger abzumildern, nicht mehrheitsfähig. Das deutsche Strafgeld ist hoch willkommen im EU-Haushalt.

 

Allenfalls ein Abstottern in Raten wäre vielleicht durchsetzbar. Hohe Steuernachzahlungen für die beiden guten Jahre, massive Erlösrückgange für Milch und auch für Fleisch und dann auch noch Superabgaben in Rekordhöhe: da könnten einige rasant gewachsene Milchviehbetriebe in existentielle Liquiditätsnöte geraten, wenn sie keine Rücklagen anlegen konnten.

 

Am schwierigsten ist jedoch die Lage für die Schweinebauern. Hier fehlt Russland als wichtiger Abnehmer von Speck und Fettwaren bereits seit Februar. Das Exportembargo hat den Marktdruck nochmals verschärft. Russland war ein zu wichtiger Kunde, der 50 % seines Bedarfs importiert und sich jetzt Brasilien als Lieferanten ausgesucht hat. Gesunkene Futterpreise können die Erlösrückgänge nicht kompensieren. Die Leidtragenden der Misere sind hier wieder die Ferkelerzeuger, die sich im letzten Jahr wirtschaftlich gerade ein wenig erholt hatten. Extrem gute biologische Leistungen in der Sauenhaltung verstärken den Druck. Preise für das 25 kg Ferkel von 35 Euro oder weniger sind in keiner Weise kostendeckend.

 

Für die nicht landwirtschaftliche Bevölkerung ist es sicherlich auch kaum vorstellbar, dass gesunde Bullenkälber mit mehr als 40 kg Lebendgewicht und mehr als 14 Tagen Lebensalter auch nur 50 bis 60 Euro (incl. MwSt.) am Markt erzielen. Spannend ist es vielleicht auch, zu erfahren, dass die Russen in diesem Herbst massiv als Käufer von tragenden Färsen auftreten und offensichtlich bemüht sind, ihre Exportabhängigkeit bei Milch durch den Aufbau eigener Kapazitäten zu senken.

 

Ich verlasse jetzt die Märkte und ihre Wirkung auf das aktuelle Einkommen der Betriebe und widme mich einem Thema, das in das Zentrum der politischen Auseinandersetzung bei den nächsten Wahlen in Deutschland rücken wird.

 

Die Medien und dann auch die Demoskopen hatten es bereits herausposaunt. Eine Agrarwende sei gesellschaftspolitisches Anliegen in Deutschland. Eine agrarindustrielle Produktion von Nahrungsmitteln sei nicht erwünscht. Auf ihrem Bundesparteitag in Hamburg hat die Partei „Die Grünen“ dieses Thema zu dem wichtigsten Element ihrer zukünftigen Wahlkampfstrategie erhoben.

 

Zwar kann keiner definieren, wo die Trennlinie zwischen erwünschter bäuerlicher Landwirtschaft und unerwünschter Agrarindustrie zu ziehen ist. Die fehlende Definition erleichtert dabei natürlich die Agitation und Emotionalität und erschwert die konstruktive Diskussion, gerade wenn jeder bei diesen Begriffen sich etwas anderes vorstellen darf. Aber: Da kommt eine scharfe gesellschaftliche Debatte auf uns Bauern zu, die großen Einfluss auf die wirtschaftliche Entwicklung der Landwirtschaft haben wird. Wir Bauern müssen hart mitdiskutieren, ob wir jetzt eine kontinuierliche Verbesserung, eine Evolution benötigen oder eher eine Revolution, wie Agrarminister der Grünen aus immer mehr Bundesländern behaupten.

 

Als Minister Meyer vor einem Jahr in unserer Delegiertenversammlung referierte, hat er uns Ostfriesen eine bäuerliche Landwirtschaft attestiert.

 

Wir sind eine Region, die die Nährstoffe aus der Tierhaltung als Dünger komplett unterbringen kann, eine Region mit hohem Grünlandanteil, eine Region, in der Kühe überwiegend noch Weidegang haben, eine Region mit gutem Grundwasser, deshalb schmeckt hier der Tee so einzigartig. Also geht uns die Debatte gar nichts an. Das wäre wohl ein völliger Trugschluss.

 

Und natürlich können auch wir in Ostfriesland noch etliches in Zukunft besser machen. Eine solche Entwicklung benötigt jedoch Zeit und die Investitionen kosten Geld, das nur wirtschaftlich gesunde Betriebe aufbringen können.

 

Analytisch will ich jetzt folgend die Wende, ob „Agrar“ oder nicht, ein wenig im Schnelldurchlauf aus verschiedenen Perspektiven beleuchten.

 

So manches Mal wünschen wir Bauern uns von dem Land Niedersachsen mehr Geschwindigkeit, wenn es um den Schutz bäuerlicher Interessen geht. Noch immer ist der ML untätig geblieben im Grundstücksverkehrsrecht und tut nichts, um außerlandwirtschaftliche Investoren abzuwehren. Noch immer kassiert das Land beim Ausüben des siedlungsrechtlichen Vorkaufsrechts doppelte Grunderwerbssteuer.

 

Wir Bauern wünschen uns übrigens schon lange eine Wende, wenn es um die Beendigung des Flächenfraßes und immer mehr Flächen mit Nutzungsbeschränkungen durch Kompensationsauflagen beim Naturschutz geht. Wie wäre es, wenn die Politik in Deutschland im Zusammenhang mit der Energiewende, die doch die Nachhaltigkeit und den Klimaschutz so entscheidend nach vorne katapultieren soll, den Anfang macht mit dem Verzicht auf Kompensation nach dem Naturschutzgesetz? Dies würde die Umsetzung der Energiewende schlagartig erleichtern und die „nimby“ –Mentalität schon zu einem großen Teil ins Leere laufen lassen.

 

Wenn wir die Ems und die Hafenentwicklung in Emden betrachten, dann sehen wir auch mit Besorgnis ein Bündnis aus EU und deutschen Umweltverbänden, gestützt auf europäische Richtlinien und enge gerichtliche Interpretationen. Dieses Bündnis hat die Politik beim Masterplan Ems am Gängelband und bringt so viel Verzögerung zum Beispiel in die Vertiefung der Außenems, dass in der Zwischenzeit ein Entwicklungsvorsprung in Emshaven und Delfzijl auf niederländischer Seite entsteht, den Emden auf Jahrzehnte nicht aufholen kann. Wir können den Frust der Emder Kaufleute bestens verstehen.

 

Wir als Landwirte machen aber auch auf unseren Frust und auf unsere Existenzen aufmerksam, wenn in einem Masterplan Ems erneut 700 ha landwirtschaftliche Nutzfläche als Bedarf aufgelistet werden, ohne dass die Landwirtschaft auch nur an einer Stelle ernsthaft in solche Überlegungen einbezogen wurde. An der Unterems hat die Landwirtschaft in der Vergangenheit schon unendlich viel für Kompensation von Autobahnbau, Emsvertiefung, Aufschlickungsfläche oder Erdgasspeicher an Fläche zur Verfügung gestellt, trägt die Last von ungelösten Konflikten im Gänse- oder Vogelschutz in riesigen Landschaftsschutzgebieten. Die Verschlickung der Ems ist sicherlich ein großes Problem, aber die Landwirtschaft kann hier jetzt nicht noch mehr leisten. Mit den herkömmlichen Ideen ist das Ende der Sackkasse erreicht. Neue Ideen sind gefragt. Es muss ein Ende haben, sich immer nur bei der Landwirtschaft zu bedienen. Warum sollen wir Agrarwende nicht auch einmal aus diesem Blickwinkel betrachten?

 

Bei der Raumordnung waren wir Landwirte es gewohnt, der Sektor zu sein, der als nachrangig nach allen anderen Nutzungsansprüchen gesehen wurde, sich deshalb anzupassen und zu weichen hatte. Diese Grundhaltung finden wir jetzt auch wieder bei den Plänen zur Änderung des LROP, mit dem die Landesregierung Klimaschutz und Moorentwicklung entsprechend der Festlegung in der Koalitionsvereinbarung umsetzen will und dabei mindestens 100.000 ha überwiegend landwirtschaftlicher Nutzfläche wieder vernässen möchte, um Moorentwicklung zu ermöglichen.

Die Analyse des meistens eher dürftigen Kartenmaterials hat schnell ergeben, dass die fachliche Grundlage für die Planung und Auswahl der Kulisse häufig weit entfernt ist von der aktuellen Situation. Nicht selten werden mit öffentlicher Förderung tief gepflügte, heute intensiv nutzbare Standorte für die Moorentwicklung eingeplant.

 

Hier ist die Landesregierung bei den betroffenen Bauern auf massiven Wiederstand getroffen und hat auch die emotionale Betroffenheit von Bauernfamilien, die in Generationen solche Standorte entwickelt haben, völlig unterschätzt. Die Bauern schätzen die Konsequenzen einer solchen Planung völlig realistisch ein. Am Ende eines schleichenden Prozesses, der Entwicklung oder auch nur Erhaltung des Futterbaustandorts unmöglich macht, steht früher oder später der Verlust der Existenz. Die Koalitionsvereinbarung, die Schaffung eines neuen Fördertatbestands der ökologischen Flurneuordnung in Niedersachsen im ELER-Programm und auch die Begründung im LROP lassen eigentlich auch keinen Zweifel über die Zielsetzung der Landesplanung aufkommen.

 

Überall in Niedersachsen haben die alarmierten Landwirte ihre massiven Bedenken formuliert und Stellungnahmen an das Nds. Landwirtschaftsministerium geschickt. Auch wir beim LHV in Ostfriesland haben unseren Landwirten bei der Formulierung ihrer individuellen Betroffenheit zur Seite gestanden. So müssten mehr als 300 individuell formulierte Stellungnahmen allein von betroffenen Moorbauern in Ostfriesland in Hannover in der Calenberger Str. 2 eingegangen sein.

 

Der Minister ist angesichts dieser Protestwelle offensichtlich ein wenig beeindruckt. Er hat jetzt mitgeteilt, dass wir Bauern etwas missverstanden haben. Es gehe bei der Fortschreibung des LROP nur darum, Hochmoorflächen vor dem Zugriff der Torfindustrie zu schützen und für die landwirtschaftliche Bodennutzung weiterhin zu sichern. Auch Entwässerung und Dränung sollen weiterhin uneingeschränkt zulässig sein. Wir nehmen die modifizierte Wahrheit aus dem Munde des Ministers gerne auf und warten auf die Entwurfsveränderungen. In einem neuen Entwurf des LROP sollen die Missverständnisse im nächsten Jahr beseitigt werden. Wir bleiben aber hochgradig sensibel, was Agrarwende uns bei Moorschutz und -entwicklung noch alles beschert.

 

Wiard Siebels hat vor einer Woche als agrarpolitischer Sprecher der SPD-Fraktion drei Herausforderungen angesprochen, die die Agrarpolitik in Niedersachsen bewegen:

 

Punkt 1 mit LROP habe ich besprochen.

 

Punkt 2 war die Nährstoffproblematik. Nährstoffüberschüsse haben sicherlich etwas mit Grundwasserqualität zu tun.

 

Aus dem Nährstoffbericht wissen wir, dass einige Regionen in Weser-Ems große Mengen an Nährstoffen aus der Tierhaltung in andere Regionen verbringen müssen, wenn sie Überdüngung vermeiden wollen. Gegen Arbeitsteilung zwischen Ackerbau- und Viehregionen ist prinzipiell nichts einzuwenden, wenn Transparenz in der Dokumentation der Nährstoffströme besteht. Die Wasserwerker beklagen sich an einigen Standorten über eine Trendumkehr bei den Nitratwerten und besonders der OOWV übt deshalb massiven Druck auf den Gesetzgeber aus, bei der anstehenden Novelle der Dünge-VO Verschärfungen zu Lasten der Bauern vorzunehmen. Gerade der OOWV setzt dabei gerne das Instrument der Übertreibung ein und gefährdet dabei das Vertrauen, das für die seit langer Zeit bestehenden Kooperationen zwischen Bauern und Wasserwirtschaft Grundvoraussetzung ist.

 

Aber bei der Novelle der Dünge-VO kommen neue Belastungen auf die Bauern zu. Die Verzögerungen bei der Novellierung verstärken den Druck. Es wird verlängerte Sperrfristen geben, es werden bodennahe Ausbringtechniken zur Emissionsminderung bei der Gülle mit einer Übergangszeit verpflichtend gemacht, und zwar auch auf Grünland. Ein neues Element wird die vorausschauende Düngebedarfsplanung sein mit Dokumentation unter Berücksichtigung der organischen Düngung des Vorjahres, der Stickstoffnachlieferung aus Zwischenfrüchten und Leguminosen, oder auch aus Klee auf dem Grünland.

 

Auch bei den Nährstoffbilanzen soll es Veränderungen geben, indem ein Bilanzüberschuss von 50 kg N je ha nicht überschritten werden darf. Es stellt sich dann die Frage, wie die Bilanzen gerechnet werden müssen. Auch dort droht Ungemach durch die angebliche Einführung einer plausibilisierten Hoftorbilanz. Ich bin mir nicht sicher, ob die Politik die Unterschiede in den Bilanzierungsmethoden kennt und damit umgehen kann. Darin steckt noch ungeheure Brisanz.

 

Erfreulich ist, dass die Ausbringung auf gefrorenen Böden erlaubt bleiben soll, wahrscheinlich aber nur mit den bisherigen Interpretationsschwierigkeiten. Was auch immer in der neuen Dünge-VO stehen wird: die überbetriebliche Verbringung von Nährstoffen wird erschwert sein, der Flächenbedarf zur Unterbringung der Gülle wird ansteigen und die Bürokratie wird deutlich ausgeweitet. Die Pachtpreise könnten nochmals einen Schub bekommen.

 

Die Länder reden bei der DüngeVO kräftig mit. Besonders Niedersachsen setzt sich für weitere Instrumente durch Länderöffnungsklauseln ein. So rüstet Niedersachsen die Datenbank für überbetriebliche Nährstoffströme bereits um zwei weitere Module auf. Die Betriebe müssen dann zusätzlich ihre Tierbestände melden und auch den jährlichen Nährstoffvergleich elektronisch einschicken. Ob mehr Bürokratie die eigentlichen Probleme löst, kann dabei durchaus bezweifelt werden. Immerhin verfolgt Minister Meyer jetzt die Idee eines schlaggenauen Güllekatasters nicht mehr.

 

Die Verbesserung der Nährstoffeffizienz beim Wirtschaftsdünger durch Einsatz moderner Ausbringtechnik kann sicherlich zur Akzeptanzverbesserung der Güllewirtschaft beitragen, das Image der Landwirtschaft verbessern und helfen, Mineraldünger einzusparen. Zur Realisierung dieser Vorteile sind aber erhebliche Investitionen in mehr Lagerraum und in neue Technik notwendig. Wenn dann gleichzeitig die technischen Anforderungen an Lagerbehälter für Gülle und Jauche noch künstlich durch das Bundesumweltministerium erhöht werden, steigt der Kapitalbedarf nochmals in die Höhe.

 

Leider hat Niedersachsen in seinem neuen ELER-Programm wenig aufgenommen, um solche Investitionen zu fördern und die Motivation zu erhöhen. Wer wirtschaftlich nicht in der Lage ist, die Nachrüstungen zu finanzieren, wird zur Aufgabe gezwungen sein. Die zukünftige Dünge-VO gilt für kleine und große Betriebe gleichermaßen.

 

Es bleibt die spannende Frage, welche Betriebsgruppe dort wohl am ersten unter Druck kommt. Wahrscheinlich doch wohl eher die Kleinen!

 

Die dritte Herausforderung in der niedersächsischen Agrarwende wird der Tierschutz und die Veränderung der Tierhaltung sein. Dabei stehen weder die Rinderhaltung und erst recht nicht die Milchviehhaltung vorne an in der öffentlichen Kritik. Niemand kann den Fortschritt von der Anbindehaltung in dunklen, muffigen Ställen hin zu modernen, gut durchlüfteten Laufställen mit Kuhkomfort in jeder Hinsicht leugnen. Thematisiert werden allerdings die Hochleistungszucht und die verkürzten Nutzungszeiten, aber auch einige Praktiken auf Tierschauen. Beim Enthornen hat sich der Begleitausschuss zum Tierschutzplan in Niedersachsen für ein obligatorisches Betäuben ausgesprochen, gegen das Votum des Landvolks. Wir halten dies für praxisfremd, weil nur Tierärzte Betäubungsmittel anwenden dürfen. Praktische Tierärzte in den Rinderpraxen gibt es eigentlich heute schon zu wenig. Und die zu wenigen sind nicht begeistert von dieser zusätzlichen Arbeit. Wir meinen, Sedation müsse ausreichen.

 

Die heftigsten Konflikte stehen in der Schweinehaltung und in der Geflügelhaltung an. Ein heftiger Streit ist um das Kupieren der Ferkelschwänze für die spätere Mast entstanden. Bislang ist dies in der Praxis das Standardverfahren, um dem gefährlichen Schwänze-Beißen in der Schweinemast wirksam vorbeugend zu begegnen. Pilotversuche unter Verzicht auf diese Maßnahme waren desaströs und mussten teilweise abgebrochen werden. Das Landvolk verlangt, dass solche Versuchsergebnisse auch veröffentlicht werden. Das ist bis heute nicht geschehen und nährt Zweifel, wie ergebnisoffen der Tierschutzplan verfolgt wird. Trotz des Fehlens jeder praxistauglichen Alternative kündigt der Minister schon für 2016 den Verzicht auf das Kupieren der Ferkelschwänze in Niedersachsen an.

 

Auf der Kammerversammlung hat Minister Meyer das Agrar- und Ernährungsforum Oldenburger Münsterland für seine Hilfe nach verbesserter Tierhaltung auch in der Schweinemast gelobt. Dieses Forum macht sich zwar für Verbesserungen in der Tierhaltung stark, verlangt jedoch erst die wissenschaftliche Erprobung, bevor neue Anforderungen in der breiten Praxis eingeführt werden. Ist das jetzt ein Zugehen des Ministers auf die Bedenken des Landvolks oder nur verbales Taktieren?

 

Am 1. Januar 2015 soll die freiwillige Initiative Tierwohl aus Landwirtschaft, Schlachtwirtschaft und Lebensmitteleinzelhandel nach langer Vorbereitungszeit starten. Tierschützer kritisieren diese Initiative, weil Tierwohlfleisch nicht gesondert gekennzeichnet werden wird. Hier hat sich der Handel verpflichtet, Geld in einen Fonds einzuzahlen, aus dem die Bauern für zusätzliche Tierschutzmaßnahmen, die über dem Standard liegen, bezahlt werden sollen. Dieses Geld wird der Handel sicherlich von seinen Kunden einbehalten und damit quasi den Verbraucher zwingen, für das gesellschaftlich eingeforderte Mehr an Tierwohl auch mehr Geld an der Kasse auszugeben.

 

Wie erfolgreich diese Initiative ist, wird das nächste Jahr zeigen. Risiken, die eine so komplexe Initiative scheitern lassen könnten, gibt es sicherlich viele.

 

Da auch der Bund sich bei dem Thema Tierwohl nicht übertrumpfen lassen will, hat auch Bundeslandwirtschaftsminister Schmidt eine Initiative mit dem Titel „Eine Frage der Haltung – neue Wege für mehr Tierwohl“ im September vorgestellt, bei der Ex-Landwirtschaftsminister Lindemann eine wichtige Rolle spielen soll. Dieser Initiative verdanken wir die Einführung eines zukünftigen Prüf- und Zulassungsverfahren für Stalleinrichtungen, also eines zukünftigen Stall-TÜV’s. Positiv sehen wir als Landvolk bei dieser Initiative, dass die unkoordinierten Länderinitiativen zum Tierschutz in Deutschland gebündelt werden und wir erhoffen uns, dass die Wissenschaft bei Fragen der Tierhaltung endlich stärker eingebunden wird. Das Vorhandensein einer eigenen Ressortforschung des Bundes spricht dafür, dass diese Hoffnung realistisch sein könnte.

 

Eng verknüpft mit der Frage der Tierhaltung in der Mast ist die Diskussion um den Antibiotikaeinsatz in der Tierhaltung. Mit der 16. Novelle zum Arzneimittelgesetz kommt auf alle Mäster neue Bürokratie zu. Bereits mit 20 Mastrindern oder 250 Ferkeln als Jahresproduktion landen unsere Tierhalter in der Meldepflicht für die staatliche Antibiotikadatenbank und müssen jeden Einsatz von Antibiotika (Mittel, Zahl behandelter Tiere, Behandlungstage) an die Datenbank melden. Gemeldet werden müssen auch die die Zu- und Abgänge und die täglichen Tierverluste. Da kommt auf die Tierhalter wieder jede Menge Bürokratie zu. Man kann nur jedem Tierhalter wünschen, dass er bereits über einen guten Internetanschluss verfügt, um seine täglichen Meldungen leisten zu können. Milchviehhalter sind von dieser Datenbank zunächst noch nicht betroffen.

 

Die Daten werden vom Bundesinstitut für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit ausgewertet. Es werden Kennzahlen über Therapiehäufigkeiten erstellt und verglichen. Wer überdurchschnittlich viele Antibiotika einsetzt, der muss bald schriftliche Maßnahmenpläne zur Reduktion des Antibiotikaeinsatzes vorlegen und bekommt Behördenbesuch. Minister Meyer hat passend zum „Zeit“-Bericht über MRSA-Keime schon einmal die Einstellung von 25 zusätzlichen Tierärzten beim LAVES angekündigt. Diese Tierärzte sollen sich alle über Gebühren von den kontrollierten Betrieben finanzieren und dann die Kontrollierten auch beraten.

 

Ob das alles so funktionieren wird mit der Beratung und der Theorie der Antibiotikareduktion? Könnten nicht eventuell auch unterlassene Behandlungen und mehr Tierkrankheiten und am Ende mehr Resistenzen aus diesem bürokratischen Ansatz resultieren? Könnte nicht auch hier eventuell der Schuss nach hinten losgehen?

 

Aber besonders Minister Meyer ist von Mindestkenntnissen in Beratungspsychologie völlig losgelöst. Glaubt er wirklich, nach einer kostenintensiven Behördenkontrolle mit erheblichem Sanktionspotential bestehe hier noch eine Atmosphäre für ein vertrauensvolles Beratungsgespräch? Das ist total weltfremd und fern von jeglichem Fingerspitzengefühl!

 

Zur Agrarwende gehört zumindest für Grüne-Politiker auch die Förderung des ökologischen Landbaus. Niedersachsen will hierfür in der nächsten ELER-Förderperiode 80 Mio. Euro an EU-Geldern einsetzen, die nicht ko-finanziert werden müssen, weil sie aus der Umschichtung der ersten Säule kommen. Niedersachsen schöpft auch bei der Förderung der Umstellung und bei der Beibehaltung des Ökolandbaus die zulässigen Förderhöhen in der EU voll aus. Viele Agrarumweltmaßnahmen und die angekündigten Tierschutzmaßnahmen (Schwanzprämie und Schnabelprämie) sind so gestrickt, dass sie sich sehr gut mit dem ökologischen Landbau kombinieren lassen. Wenn der Ökolandbau in Weser-Ems jetzt nicht bald floriert, liegt es mit Sicherheit nicht an fehlender Förderung. Ich halte auch nichts davon, den Ökolandbau gegen den konventionellen Landbau auszuspielen. Die schöne Ökoförderung kann jeder Landwirt beanspruchen, wenn er umstellen möchte. Der Ökolandbau hat seine Berechtigung in wohlhabenden Ländern mit besonders zahlungsfähigen Verbraucherschichten und mag durch den Verzicht auf Pflanzenschutzmitteln auch der Umwelt in gewissem Umfang nutzen. Als Modell zur Bekämpfung des Hungers auf der Welt eignet er sich jedoch nicht, weil er viel zu viel Fläche für zu wenig Ertrag benötigt. Dies ist eine klare Aussage von Agrarökonomen, wie Prof. v. Witzke von der Humboldt-Universität in Berlin.

 

Auch eine nationale Eiweißstrategie fördert Minister Meyer in einem Projekt durch die AbL. Auch hier gibt es von Ökonomen eine klare Einschätzung. Eine solche Eiweißstrategie ist ebenfalls unter ökonomischen Gesichtspunkten nicht sinnvoll. Wir haben klimatische Vorteile beim Getreideanbau und Nachteile beim Proteinpflanzenanbau. In einer arbeitsteiligen Welt ist es klüger, dann Getreide zu exportieren und Eiweißfutter zuzukaufen.

 

Spannend ist auch die Frage, wie der Abschluss von Freihandelsabkommen, wie dem TTIP mit den USA unter dem Blickwinkel „Agrarwende“ gesehen wird. Anders als behauptet geht es bei diesen Abkommen nicht um die Aushöhlung von Verbraucherstandards in Europa, jedenfalls ist dies nicht beabsichtigt und Verhandlungsgegenstand. Aber europäische Milchprodukte könnten vom Marktzugang in den USA profitieren, während die Amerikaner bei pflanzlichen Produkten Vorteile erzielen könnten. Aber der Agrarhandel ist nur ein ganz kleiner Teil des TTIP. Ich kann mir nicht vorstellen, dass irgendjemand in Deutschland auf den Export von Industrieprodukten oder Autos verzichten möchte. Jeder weiß, worauf unser Wohlstand basiert. Dann aber gibt es keine Alternative zu bilateralen Freihandelsabkommen, wenn multilaterale Verhandlungen über die WTO nicht vorankommen.

 

Minister Meyer hat Bedenken, wenn deutsche Molkereien neue Märkte in Asien bedienen und plädiert für die Konzentration auf nationale Märkte. Wir ostfriesischen Milchbauern sind froh, dass wir heute Molkereien haben, die Inlandsmärkte, EU-Märkte und Drittlandsmärkte bedienen können und dort die Chancen suchen. Für die Einkommensentwicklung auf unseren Höfen sind Betriebe wie dmk, Molkerei Ammerland, Privatmolkerei Rücker, Molkerei Wiegert oder auch DOC, oder in der Rindervermarktung der VOSt viel, viel wichtiger als neue Ideen in der Regionalvermarktung. Gerade in der Regionalvermarktung benötigen wir beim LHV keinen Nachhilfeunterricht: Durch NaturWert kennen wir die Chancen und Grenzen dieser Nischen. Deshalb kann man uns auch nicht überzeugen, von ökonomischen Vorteilen eines Biosphärenreservatslabels und lehnen die geographische Festlegung einer Entwicklungszone für das UNESCO-Biosphärenreservat „Niedersächsiches Wattenmeer“ an der Küste kategorisch ab.

 

Von der Politik erwarten wir für diese Unternehmen keine Fördermittel, wohl aber eine aufmunternde Begleitung. Wer Minister Meyer bei seinem Grußwort auf der dmk-Vertreterversammlung erlebt hat, hat Zweifel, ob der Minister die Bedeutung solcher Unternehmen für die Wertschöpfung im ländlichen Raum und für eine wettbewerbsfähige Landwirtschaft in Niedersachsen richtig einordnen kann.

 

Am deutlichsten manifestiert sich die Agrarwende Niedersachsen in der Setzung der Prioritäten für die neue ELER-Förderperiode. Dieses Programm soll zukünftig „Pfeil“ heißen und liegt momentan in Brüssel zur Notifizierung. Dieser Fördertopf ist voller als in der Vorperiode, auch weil 181 Mio. Euro für Niedersachsen aus der ersten Säule von den Direktzahlungen weggenommen werden. Auffällig ist jedoch, dass das Land das Geld hauptsächlich in Programme steuern möchte, bei denen die EU besonders hohe Ko-Finanzierungssätze gewährt. Damit wird der Landeshaushalt zwar geschont, aber das Fördervolumen sinkt insgesamt. Wenig Ko-Finanzierung oder gar keine werden verlangt bei LEADER, für die Agrarumweltmaßnahmen und die Tierschutzmaßnahmen. Niedersachsen will sein Geld hauptsächlich in konsumtive Maßnahmen stecken. Damit verzichtet es aber auch gleichzeitig auf Hebelwirkungen zur Stärkung der Wirtschaftskraft im ländlichen Raum.

 

Besonders dramatisch ist der geplante Rückgang des Mitteleinsatzes zur Absicherung der Wettbewerbsfähigkeit der Landwirtschaft. Agrarinvestitionsförderung, ländlicher Wegebau, Flurneuordnung, all das wird auf ein Viertel der Vorperiode reduziert. Wir halten das für eine völlige falsche Weichenstellung. So wird der ländliche Raum abgehängt. So werden Arbeitsplätze auf dem Land gefährdet. Für den ländlichen Wegebau stehen gerade noch 10 Mio. Euro bis zum Jahr 2020 im Plan. Angesichts der Vielzahl an maroden Wegen in den Gemarkungen ist das gar nichts.

 

Zum Schluss möchte ich noch kurz Eingehen auf die neue GAP und auf die neue Errungenschaft: das Greening.

 

Zur Umsetzung der GAP ist mittlerweile vieles geregelt, aber auch immer noch nicht alles. Aktuell steht noch eine neue InVeKoS-Verordnung an, die wohl erst im Februar durch den Bundesrat gehen wird. Einer Katastrophe kommt es gleich, dass die Antrags-CDs wahrscheinlich erst Mitte April auf den Höfen ankommen. Da kommt ein kaum zu bewältigendes Problem auf die Beratungseinrichtungen beim Landvolk, bei den Ringen, bei der Kammer, aber auch auf die Bewilligungsstelle zu, wenn in einem Jahr mit besonders hohem Beratungsbedarf die Antragsbearbeitung auf weniger als die Hälfte der Normalzeit reduziert ist. Jede Woche, die wir mehr an Zeit gewinnen, wäre hilfreich und Minister Meyer ist aufgerufen, hier Druck zu machen, um unhaltbare Zustände zu vermeiden.

 

Im letzten Frühjahr mussten wir uns als Verband besonders engagieren, um im Direktzahlungs-Durchführungsgesetz eine Änderung des ersten Entwurfs in Artikel 15 zu bewirken. Dieser sah zunächst vor, dass Grünland in Natura-2000 Gebieten generell als sensibel eingestuft und entsprechend gemeldet würde. Das hätte die Konsequenz eines generellen Pflugverbots zur Narbenerneuerung und auch die Unmöglichkeit eines Grünlandtausches bedeutet. Für die Vogelschutzgebiete konnte dies schließlich erfolgreich abgewehrt werden.

 

Das betrifft das Grünland in einem Gebiet von 38.000 ha allein in Ostfriesland. Nicht verhindert werden konnte jedoch ein Kompromiss, dass das Grünland in FFH-Gebieten komplett als sensibel eingestuft wurde.

 

Beim Greening und bei der Anerkennung der verlangten ökologischen Vorrangflächen herrscht jetzt weitgehend Klarheit, aber in der Umsetzung auf den Betrieben sicherlich noch viel Beratungsbedarf. Lange hatte hinter den Kulissen ein Kampf getobt zwischen dem Bundeslandwirtschaftsministerium (BMEL) einerseits und dem Bundesumweltministerium (BMU) andererseits um Leguminosen oder Zwischenfrüchte, um die Kombination von Agrarumweltmaßnahmen und ökologischen Vorrangflächen, bei dem auch die Bundesländer kräftig mitmischten. Wir müssen heute attestieren, dass sich das BMEL mit dem Versuch, praxistaugliche Regelungen mit Beibehaltung landwirtschaftlicher Produktion versus Stilllegung zu ermöglichen, ganz gut behauptet hat. Darüber können wir froh sein.

 

Im Zusammenhang mit der Agrarreform ist von der Politik die Botschaft ausgegeben worden:

In Zukunft würden ökologische Leistungen der Landwirte endlich honoriert. Dies sei der Kern der Agrarreform. In Ostfriesland haben wir 6000 km Wallhecken und ein ausgedehntes Grabennetz als ökologische Vernetzungsstrukturen. Mindestens 2 % unserer landwirtschaftlichen Nutzfläche ging deshalb in der Vergangenheit bereits bei der Flächenförderung verloren. Prinzipiell sind Wallhecken als Landschaftselemente jetzt anrechenbar als ökologische Vorrangflächen. Gräben können in Niedersachsen nicht angerechnet werden. In Schleswig-Holstein ist das anders geregelt.

 

Aber auch bei den Wallhecken werden wir vieles wegen unzureichender Digitalisierung, wegen unzureichender Zuordnung zu den Feldblöcken und wegen verwaltungstechnischer Probleme nicht nutzen können. Damit lande ich bei der Feststellung:

 

Ökologische Leistungen werden von den Landwirten zwar immer mehr eingefordert, bei der Umsetzung sind wir aber meilenweit von einer fairen und gerechten Anerkennung der bisherigen Leistungen entfernt. Für die Akzeptanz bei den Landwirten ist dies kontraproduktiv. Hier hatten wir auf weit mehr Einsatz der niedersächsischen Politik für eine faire Umsetzung gehofft. Auch die Leistungen der Bauern beim Gänseschutz (Raum, Rast und Restaurant für immer mehr Nonnengänse und sich epidemisch ausbreitende Graugänse) werden im Vertragsnaturschutz meistens unzureichend oder noch gar nicht honoriert.

 

Anerkennen möchte ich aber, dass wir mit Staatssekretärin Kottwitz aus dem MU eine Ansprechpartnerin gefunden haben, die die Dynamik des Problems erahnt und die richtigen Fragen stellt: Zum Beispiel, ob eine mehr als 30 Jahre alte Anhangliste der Vogelschutzrichtlinie nicht überprüft werden muss, wenn bestimmte Arten nicht mehr vom Aussterben bedroht sind, sondern sich bedrohlich stark für andere Arten entwickeln.

 

Gleichwohl werben wir als LHV dafür, das Beste aus Greening zu machen und z. B. mit den Imkern zusammen zu arbeiten. Eine erste Veranstaltung dazu hatten wir bereits in diesem Herbst.

 

Meine Kurzanalyse zum Begriff „Agrarwende“ endet mit einem kurzen Fazit:

Wer die Bauern aufrichtig auf dem Weg zu Verbesserungen einer umweltfreundlichen und nachhaltigen Landwirtschaft mitnehmen will, der sollte erfolgreich motivieren. Die Methoden des preußischen Obrigkeitsstaates mit immer mehr Bürokratie und einer übertriebenen Misstrauenskultur passen nicht ins 21. Jahrhundert. Zwar lässt die Regierung heute den Rohrstock weg. Die verbalen Ausfälle des Ministers gegen konventionelle Landwirtschaft sind aber gerade für die junge Generation viel schmerzhafter und demotivieren. Gute Veränderungen in der Landwirtschaft benötigen keine Ideologie. Gefragt für ein gutes Gelingen ist naturwissenschaftlicher und auch volkswirtschaftlicher Sachverstand.

 

In diesem Jahr ist der LHV 165 Jahre alt geworden. Gegründet wurde er, um wissenschaftliche Erkenntnis in die breite Praxis zu tragen. In dieser Tradition steht der LHV noch heute und ich fühle mich dieser Haltung verpflichtet. Als ausgebildeter Landwirt mit agrarökonomischem Hintergrund habe ich jetzt 15 Jahre meistens sachlich für die ostfriesische Landwirtschaft gestritten, ohne dabei das Gesamtinteresse des ländlichen Raums aus dem Auge zu verlieren. Ob ich dies noch weitere drei Jahre machen soll, das entscheiden Sie als Delegierte heute.

 

Wichtig für unsere Arbeit und für unsere Akzeptanz in der Gesellschaft ist eine verstärkte Wirkung in die nicht landwirtschaftliche Öffentlichkeit hinein. Wir Landwirte müssen uns mit unserem Wissen und unseren Leistungen nicht verstecken. Wir dürfen uns nicht einschüchtern lassen, sondern haben genügend Gründe für selbstbewusstes Auftreten. Jeder einzelne Landwirt kann dabei eine Menge tun. Dieses Feld wollen wir in Ostfriesland zukünftig stärker bearbeiten. Deshalb haben wir den für die Öffentlichkeitsarbeit zuständigen Vizepräsidenten des DBV, Werner Schwarz aus Schleswig-Holstein zu einem Vortrag zu diesem Thema eingeladen.

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