Landwirtschaftlicher Hauptverein für Ostfriesland e.V.

15.12.2015

LHV-Delegiertenversammlung 2015

Der Jahresrückblick war ernüchternd. Sowohl Präsident Erich Hinrichs (sein agrarpolitische Bericht ist unten nachzulesen) als auch der Geschäftsführer des Landesbauernverbandes Landvolk Niedersachsen e. V. Jörn J. Dwehus machten keinen Hehl aus der wirtschaftlichen miserablen Situation der Betriebe.

„Das Thema, was uns alle bewegt ist die Situation auf den landwirtschaftlichen Betrieben. 2015 war aufgrund der wirtschaftlichen Situation der Betriebe durchweg Mist." sagte Dwehus geradeheraus.

Es sind aber nicht nur die niedrigen Erzeugerpreise, sondern auch die immer höheren Auflagen und die fehlende Honorierung der Einhaltung von Standards, die weit über dem liegen, was Wettbewerber anbieten. Dazu ein Trommelfeuer der Kritik an der guten landwirtschaftlichen Praxis.

Dwehus sprach in diesem Zusammenhang das Verhältnis zwischen Landwirten und Landesregierung an und kritisierte die pauschale Verunglimpfung eines ganzen Berufsstandes. „Wenn die Grünen in ihrer Halbzeitbilanz die Stärkung der bäuerlichen Betrieben als Erfolg bezeichnen, wird uns Angst und Bange. Die Mittel, die Minister Meyer dafür verwendet sind 1. Verunglimpfung (...), 2. Symbolpolitik anstelle von Risikobewertung (...) und 3. Annahmen, die auf Glauben statt Wissen basieren.“ Die Zusammenarbeit sei unter diesen Bedingungen schwierig, der Versuch werde aber nicht von Seiten des Landvolks nicht aufgegeben.

In der daran anschließenden Diskussion war die miserable finanzielle Lage und der Frust der Delegierten darüber deutlich zu spüren. Auf absolutes Unverständnis stieß die Aufteilung der Auszahlung der Agrarförderung und das teilweise Ausbleiben der Auszahlungen, wenn Betriebe sich noch im Prüfverfahren befinden. 

Die letzte Sitzung des Jahres kurz vor Beginn.
Die letzte Sitzung des Jahres kurz vor Beginn. 420 Kb
Zunächst wurde der formale Teil absolviert. 420 Kb
Same procedure as last year?
Same procedure as last year? 459 Kb
Same procedure as every year!
Same procedure as every year! 444 Kb
Erich Hinrichs begrüßt die Gäste und begann mit dem Geschäftsbericht. 334 Kb
Hartwig Frühling, Carl Noosten und Manfred Tannen. 369 Kb
Bernd Tammena-Deterts berichtete als Rechnungsprüfer. 345 Kb
Noch ein Handzeichen und den Formalia waren genüge getan. 432 Kb
Erich Hinrichs, Justus Ackermann und Jörn Dwehus. 425 Kb
Jörn Dwehus berichtet aus Hannover. 299 Kb
Im Anschluss wurde über die Politik und Lösungswege diskutiert. 422 Kb

Agrarpolitischer Bericht 2015

von Präsident Erich Hinrichs  

 

(Es gilt das gesprochene Wort)

 

Zum Ende des Jahres 2015 blicken fast alle Landwirte Ostfrieslands, aber gleichermaßen alle Berufskollegen in Europa mit großen Sorgen in die Zukunft. Unsere Bauern sind zum großen Teil Opfer der großen Politik geworden, die viele Bereiche trifft, die Landwirtschaft aber im Besonderen.

 

Die Annexion der Krim durch Russland im März 2014 hat zu Sanktionen des Westens und zu Gegenreaktionen Russlands mit dem Embargo gegen westliche Agrarprodukte geführt. Das Fracking hat die USA unabhängig von Ölimporten gemacht und die Weltölpreise in den Keller rutschen lassen. Auch der Iran kann wieder Öl exportieren. Auch dieses zusätzliche Angebot hat die Preise unter Druck gesetzt. Vielen Ölländern fehlt jetzt die Kaufkraft auf den Agrarrohstoffmärkten. Niedrige Rohstoffpreise schlagen voll durch auf die globalisierten Agrarmärkte.

Der Preisverfall an den Märkten für Milch, Ferkel, Fleisch und pflanzliche Produkte hat die Erlöse auf den ostfriesischen Bauernhöfen auf ein Niveau sinken lassen, zu dem die Lebenshaltungskosten meistens nicht mehr erwirtschaftet werden können und damit Eigenkapital vernichtet wird. In der Ferkelproduktion sind die Erlöse teilweise unter die variablen Spezialkosten gesunken. Auch bei den Milchviehhaltern sind nach zwei wirklich guten Jahren vielfach die angelegten finanziellen Reserven aufgebraucht. Immer gravierendere Liquiditätslücken tun sich auf und müssen von den Betriebsleitern möglichst in konstruktiven Verhandlungen mit den Hausbanken geschlossen werden. Gewinnstarke Betriebe sind durch Steuernachzahlungen und erhöhte Vorauszahlungen aus den guten Vorjahren in der Liquidität belastet. Um diese Betriebe müssen wir uns aber weniger Sorgen machen. Diese Betriebe geben möglichst schnell die Einkommenssteuererklärung 2014 ab und erhalten Steuerrückzahlungen. Diese Betriebe haben ein gutes Rating bei der Bank. Sie profitieren vom niedrigen Zinsniveau für Liquiditätsdarlehen und das Liquiditätshilfsprogramm der EU, ausgestattet mit 69 Millionen Euro für Deutschland, und kann als zusätzliche Hilfe in Anspruch genommen werden.

Richtig schwierig ist es jedoch für die Betriebe, die größere Wachstumsschritte gerade mit Investitionen in Stallbau, Betriebsvergrößerung und Maschinenaufstockung hinter sich gebracht haben oder noch mitten in der Aufstockungsphase mit vermehrtem Kapitalbedarf für das Umlaufkapital stecken. Wenn diese Betriebe dann auch noch von der erhöhten Superabgabe von 22 Cent/kg Übermilch im letzten Quotenjahr betroffen sind, dann wird es richtig dramatisch. Hier sind die Banken vielfach wesentlich restriktiver mit Liquiditätsdarlehen, das Rating ist schlechter, die Zinskonditionen sind dann deutlich schlechter. Das Liquiditätshilfsprogramm ist auf diese Betriebskonstellationen eigentlich nicht gut ausgerichtet. Die Laufzeiten der geförderten Darlehen sind hier einfach zu kurz. Entscheidungen zur Beseitigung der Liquiditätsengpässe kommen hier vielfach nicht schnell genug, führen zu einem Anwachsen des Kontokorrents mit nicht tragbaren Zinsbelastungen.

Ganz wichtig wäre in der jetzigen Situation, dass die Direktzahlungen aus der 1. Säule der EU-Agrarpolitik möglichst früh zur Auszahlung kommen, jedoch keineswegs später. Seitens der EU wäre dies möglich. Hier erleben die Landwirte in Deutschlands Agrarland Nr. 1, (Originalton der Landesregierung) allerdings eine herbe Enttäuschung. Nur Niedersachsen und Thüringen schaffen es in Deutschland nicht, die vollständige Auszahlung wenigstens zum bisherigen Termin zum Jahresende durchzuführen. Bei uns wird ein Drittel des Geldes, nämlich die neue Greeningkomponente, erst Ende Februar oder noch später ausgezahlt. Warum kann Niedersachsen nicht das, was andere Bundesländer wie NRW, Schleswig-Holstein oder Baden-Württemberg, alle rot-grün regiert, zu Stande bringen? Das reißt neue Liquiditätslücken auf und zwingt zu neuerlichen Verhandlungen mit den finanzierenden Banken.  

 

Zu den Fakten: Im Wirtschaftsjahr 2014/15 ist das Unternehmensergebnis der Haupterwerbsbetriebe im Futterbau von durchschnittlich ca. 70.000,- Euro auf ca. 38.000,- Euro zurückgegangen. Die Zahlen der Kammer aus dem Testbetriebsnetz und des DBV aus den Abschlüssen der Land-Data liegen dabei auf gleichem Niveau. Bei diesen Zahlen sind aber noch die guten Auszahlungen mit Basispreisen von 39 Cent/kg aus dem Frühsommer 2014 enthalten. Die ganze Dramatik wird erst mit den Betriebsergebnissen 2015/16 deutlich werden, am schlimmsten bei den Ferkelerzeugern, schlimm bei den Milchbauern, etwas abgeschwächter bei den spezialisierten Ackerbauern. In dieser Gruppe gibt es aber nur ganz wenig Betriebe in Ostfriesland. Wahrscheinlich drohen in ganz vielen Betrieben rote Zahlen, d. h. die Lebenshaltung muss aus der Substanz bestritten werden.

Für die Familien auf den Bauernhöfen, auf denen normale soziale Standards wie Urlaub, Wochenende, Wochenarbeitszeit, wie bei vielen Selbständigen, nicht erreicht werden, wo Selbstausbeutung nicht selten ist, ist die Situation deprimierend und eine hohe Belastung für die Psyche. Die Motivation leidet und die Gefahr, sich selbst in einen Strudel psychisch nach unten zu ziehen, ist riesengroß. In einer solchen Situation ist es wichtig, die Freude an den Erfolgen in der Landwirtschaft, an gesunden, vitalen Tieren, an guten Tierleistungen, an guten Feldbeständen nicht zu verlieren, auch wenn sie sich nicht richtig auszahlen. Nicht alle schaffen das. Da benötigen Landwirte auch manchmal ein Ventil, um den Frust heraus zu lassen. Das haben wir mehrfach erlebt in spontanen Schlepperkorsi, die in sozialen Medien heute ruckzuck abgesprochen sind. Was da vor einer Woche in Leer beim Kanzlerbesuch ablief, ist vor dem Hintergrund der Misere verständlich, jedoch politisch nicht zielführend und leider kontraproduktiv zu unserer Öffentlichkeitsarbeit, die darauf gerichtet ist, Sympathien bei der nicht landwirtschaftlichen Bevölkerung zu gewinnen.

Aktionen sind berechtigt. Sie müssen jedoch pfiffig sein, uns Aufmerksamkeit und Sympathie einbringen. Unsere Plakataktion im September war dabei ein guter Anfang. Gute kreative Ideen sind uns herzlich willkommen und warten auf Umsetzung.  

 

In der angespannten finanziellen Lage werden Investitionen auf ein Mindestmaß zurückgefahren. Das bemerkt die ganze Agrarbranche und der ländliche Raum, wo Landwirtschaft ein enorm wichtiger Wirtschaftsfaktor ist. Völlig absurd ist es, anzunehmen, die Milchviehhaltung in Ostfriesland würde zukünftig von Betrieben mit 1.000 Kühen und mehr dominiert. Das sind m. E. öffentlich geäußerte Befürchtungen, die wir nicht wirklich ernst nehmen sollten. Abgesehen von den Problemen mit der Baugenehmigung im BImSch-Verfahren, passen diese Betriebsgrößen nicht in unsere Wallheckenlandschaft und von Grüppen durchzogenen Grünländereien. Die 100 ha-Schläge sucht man hier vergebens, um in der Futterwirtschaft die Kostenvorteile der Größe ausspielen zu können. Bei uns führt der Futter- und Gülletransport wegen der Feldentfernung beim Großbetrieb zu ansteigenden Stückkosten, die nicht durch höhere Arbeitsproduktivität im Stall aufgefangen werden können. Betriebsstrukturen entwickeln sich aus betriebswirtschaftlichen Vorteilen, niemals jedoch gegen die Gesetze der Ökonomie. Ein nicht optimierter Großbetrieb ist in der jetzigen Erlössituation viel schneller in einer Existenzkrise als der bäuerlich strukturierte Normalbetrieb.  

 

Was müsste neben der rechtzeitigen Auszahlung der EU-Gelder noch geschehen? Was kann die Politik leisten? Können wir zurück zu nationalen, abgeschotteten Märkten mit Quoten und Mengensteuerungen? Wer die Agrarpolitik der EU mit den großen Reformen von McSharry und Fischler und ihre tieferen Ursachen aus dem Interesse von exportorientierten Industriestaaten erlebt hat und ein Mindestmaß an ökonomischen Verstand mitbringt, weiß, dass dies keine realistische Option ist und nicht ernsthaft diskutiert werden muss. Die Mengensteuerung, die der BDM vorschlägt, ist kein Lösungsvorschlag sondern Ablenkung. Am Donnerstag sind unsere Bauern nach Hesel zu einem Vortrag von Prof. Thiele vom ife Institut in Kiel eingeladen. In einem Gutachten, das die Grünen-Länderminister beauftragt haben, stellt er fest, dass die angedachte Mengensteuerung bei Milch weder administrativ auch nur in Ansätzen durchführbar ist, noch dass sie ökonomisch vernünftig und wirksam sein kann. Es fehlt nämlich an zwei Grundvoraussetzungen, um diesen Ansatz verfolgen zu können: Unsere Selbstversorgung bei Milch müsste unter 100 Prozent liegen und wir müssten hermetisch abgeschottete Märkte haben. Beides haben wir aber nicht! Es gibt aber noch andere Antworten auf die Herausforderungen eines volatilen Milchmarkts. Diese soll Prof. Thiele uns vorstellen, diese wollen wir diskutieren.

Dass die Grünen Agrarminister trotzdem diesen Weg der Mengensteuerung nochmals in einem Runden Tisch breit diskutieren wollen, zeugt von politischem Kalkül oder auch fehlender Agrarkompetenz. Da verschwenden wir Zeit mit nutzlosen Debatten. Agrarexport ist nicht der Kardinalfehler sondern ein Ausweg aus der Misere, bei der die EU und die Bundesregierung uns bei der Erschließung neuer Märkte mit Importlizenzen und Veterinärabkommen enorm helfen können und müssen. Bei Milch und Fleisch müssen unsere Verarbeitungs- und Vermarktungsunternehmen an mehr Wertschöpfung arbeiten. Die Molkereien in Skandinavien, Holland und Frankreich sind auf diesem Weg schon weiter. Allerdings gibt es in diesen Ländern auf den heimischen Lebensmittelmärkten nicht diese extreme Konzentration und diesen gnadenlosen Verdrängungswettbewerb mit Überkapazitäten, wie er für Deutschland und auch für England charakteristisch ist. In den erst genannten Ländern ist die Milchwirtschaft auch in der Eroberung von Drittlandsmärkten schon viel weiter und erfolgreicher.

Abkoppeln von globalen Einflüssen kann sich niemand mehr. Aber eine Differenzierung gibt es in Europa schon. Man studiere nur einmal die „milkprices“ auf der Homepage von LTO, dem holländischen Bauernverband. Auch unsere Molkereien müssen raus auf Drittlandsmärkte, müssen Alternativen haben zu ALDI, Lidl, Netto, EDEKA und Co. Mehr Regionalvermarktung kann man auch machen. In einer globalisierten arbeitsteiligen Welt ist das aber nicht die Lösung, sondern nur eine kleine Ergänzung. Wenn Weidemilch vom Handel und Verbraucher gewünscht ist, dann sollten wir das in den Markt bringen, wenn es bei der Wertschöpfung hilft und Milchgeld bringt. Mit Trinkmilch können wir anfangen, andere Milchprodukte können gerne folgen, so lange wir nicht unbewusst dabei eine Zweiklassenmilch einführen. Das darf uns nicht passieren. Und gerade deshalb ist das alles nicht so einfach. Ein stärkeres Engagement der Landesregierung über das kleine Projekt „Weideland“ beim Grünlandzentrum hinaus wäre aber durchaus wünschenswert. Da gibt es wieder einmal eine eklatante Diskrepanz zwischen Rhetorik und tatsächlichem Handeln dieser Landesregierung.  

 

In der Steuerpolitik kann nationale Politik helfen, indem sie bei der Einkommensermittlung mehr Gewinnglättungsmöglichkeiten zulässt. Das hilft zwar nicht in der augenblicklichen Situation, wohl aber für die Zukunft, in der wir weiterhin mit stark volatilen Märkten rechnen müssen. Die jetzt beschlossene Flexibilisierung beim Investitionsabzugsbetrag (IAB) ist deshalb zu begrüßen und dem langfristigen Bohren des Bauernverbands zu verdanken. Ab dem Wirtschaftsjahr 2015/16 können wir Landwirte in guten Wirtschaftsjahren einen IAB abziehen und dürfen in den Folgejahren in Ruhe entscheiden, was investiert werden soll. Bislang konnte ein IAB nur für ganz konkrete Investitionsvorhaben geltend gemacht werden. Da die Regierung sich für die Risikoausgleichsrücklage nicht öffnen will, ist stattdessen zu fordern, dass die für die Steuer erheblichen landwirtschaftlichen Gewinne nicht aus zwei sondern aus dem Durchschnitt von drei Wirtschaftsjahren abgeleitet werden dürfen.

Anzuerkennen ist auch die einmalige Erhöhung des Bundeszuschusses für die landwirtschaftliche Berufsgenossenschaft im nächsten Beitragsjahr um 78 Mill. EURO. Zuletzt betrug dieser Bundeszuschuss noch 100 Mill. Euro. Die Beitragsentlastung kommt allen Beitrag zahlenden Landwirten zu Gute. Wirksam wird sie jedoch erst mit der Spitzabrechnung im September 2016. Natürlich gleicht dies nicht annähernd unseren Einkommensrückgang aus. Diese Erhöhung politisch im Haushalt durchzusetzen, war aber sicherlich nicht so einfach, deshalb wäre es politisch unklug, diese Leistung nicht zu würdigen.  

 

Der rote Faden meines Vortrags ist die Frage: Was kann die Politik für die Landwirtschaft und für die Bauernfamilien tun?

Die Antwort ist ganz einfach: Weitere Belastungen vermeiden und keine neuerlichen Verunsicherungen aufkommen lassen! Verbesserungen erreichen und neue Wege suchen, z. B. im Risikomanagement volatiler Märkte. Zunächst: Die Gemeinsame Agrarpolitik ist extrem kompliziert geworden mit den Vorschriften zum Greening, mit der komplizierten Grünlanddefinition, mit sehr unterschiedlichen Agrarumweltmaßnahmen zwischen den Bundesländern, mit der Abgrenzung zwischen verpflichtendem Greening und freiwilligen Agrarumweltmaßnahmen.

Auch zwischen den Mitgliedsstaaten ist die Förderung sehr unterschiedlich, auch wenn sie angeglichen wurde. Deutschland ist das einzige Land, das alle Zahlungen der 1. Säule entkoppelt hat. Im EU-Durchschnitt sind 10 % noch immer gekoppelt. Also wir Bauern begrüßen jeden Vorschlag, der zu Vereinfachung und Vereinheitlichung bei der GAP führt. Es ist toll, dass Agrarkommissar Hogan diese Aufgabe als Erstes anpacken will. Allein uns fehlt der Glaube, dass dies substantiell gelingen wird. Unsere Erfahrung war bislang eher, dass alles noch schlimmer wurde, wenn Vereinfachung versucht wurde. Immerhin halten wir es für richtig, an der Marktorientierung festzuhalten. Angesichts der aktuellen Marktmisere stellt sich aber durchaus die Frage, ob die Politik national und europäisch nicht mehr tun kann, z. B. bei der Exportförderung?

Die Umsetzung der GAP-Reform 2014 kommt jetzt erst in Gang. Wenigstens der Finanzrahmen ist bis zum Jahr 2020 fixiert. Schon aber geht die Diskussion um die nächste Runde nach 2020 los. Umweltministerin Hendricks (SPD) und Agrarexperte Dr. Priesmeier (SPD) haben sich bereits klar positioniert. Die Direktzahlungen wollen sie den Bauern komplett streichen und das Geld nur noch für Umweltpolitik einsetzen. Nur gut, dass diese Leute es in Europa nicht allein zu sagen haben. Aber der Kampf mit den Umweltverbänden und ihren politischen Unterstützern geht permanent weiter. Bis zum 31. März 2017 ist das Greening zu überprüfen. Wir müssen 5 % ökologische Vorrangflächen als ausreichend verteidigen gegen Forderungen nach 7 % oder mehr. Wir müssen darlegen, dass wir ohnehin bereits deutlich mehr tun für Artenschutz und Biodiversität als das Greening verlangt. Seit Jahrzehnten erhalten und pflegen Ostfrieslands Bauern 6.000 km Wallhecken. Die wenigsten dieser Wallhecken sind als ökologische Vorranggebiete genutzt worden, aus Sorge um fehlerhafte Antragstellung beim Greening. Während Schleswig-Holsteins Bauern überwiegend die Gräben als ökologische Vorrangflächen nutzen durften, zählen Gräben in Niedersachsen nicht für die Ökologie, weil sie Wasser abführen.

Die Umweltverbände werden immer anführen, wie schlecht es angeblich um den Artenschutz steht. Das ist die Basis ihres Geschäftsmodells. Allerdings gab es in Deutschland noch niemals in der Geschichte der Kulturlandschaft so viele Schutzgebiete und so viele Kompensationsflächen mit Auflagen. Wenn dann trotzdem die Effekte im Naturhaushalt ausbleiben, dann wären doch endlich einmal die Schutzstrategien zu überprüfen, sollte doch endlich einmal vor der eigenen Haustür gekehrt werden. Die Schuld immer nur bei den Bauern zu suchen, das ist auf Dauer zu billig.

Bis zum 1. August 2017 ist es auch möglich, durch nationalen Beschluss die Umschichtung von 1. Säule in die 2. Säule zu erhöhen, und zwar bis auf 15 %. Bislang sind 4,5 Prozent in Deutschland umgeschichtet. Niedersachsen verwendet dieses Geld für die Ringelschwanzprämie, Schnabelprämie, den Ökolandbau und ein bisschen Wasserschutz. Das sind schöne Mittel, denn das Land muss nicht Co-finanzieren. Bis zum Jahr 2020 beläuft sich dies auf 181 Mill. Euro. Der wissenschaftliche Beirat hat durch sein Gutachten zur Tierhaltung die Steilvorlage geliefert für die Idee, noch mehr Geld für die Entwicklung von Tierschutzmaßnahmen einzusetzen. Dieses Geld fehlt dann aber direkt auf den Höfen und kommt nur über die Bezahlung von Tierschutzaufwand eventuell zurück. Kein Zweifel, wir müssen die Tierwohldebatte ernst nehmen. Allein der Tierschutzplan in Niedersachsen zwingt uns dazu. Herr Dwehus wird hierauf noch intensiver eingehen.

 

Was wir aber absolut vermissen bei dieser Landesregierung, das ist die Weiterarbeit an dem Thema Wettbewerbsfähigkeit auf nationalen und internationalen Märkten. Der Gedanke an Wettbewerbsfähigkeit scheint bei Minister Meyer nicht aufzutauchen. In den Programmen, die der Wettbewerbsfähigkeit dienen können, ist der EU-Mitteleinsatz von 327 Mill. Euro auf 110 Mill. Euro in dieser Förderperiode in etwa gedrittelt worden. Da die Co-Finanzierung aus Brüssel gleichzeitig erhöht wurde, ist das Finanzvolumen für diese Maßnahmen nochmals reduziert. Ganze 10 Mill. Euro stehen an EU-Geldern für den ländlichen Wegebau bis 2020 zur Verfügung. Ein solcher Ansatz ist ein Witz und eine schallende Ohrfeige für die ländlichen Räume. Auch der ländliche Raum, die Landwirtschaft benötigen zur Zukunftssicherung Investitionen, Innovationen und Forschung. Da passiert viel zu wenig zur Zukunftssicherung. Allein diese Beispiele zeigen, wie wichtig das Vordenken der Entwicklungen in der europäischen Politik ist, wie wichtig das Gegenhalten gegen die Begehrlichkeiten auf Haushaltsmittel von anderen Ressorts, aber vor allem von den Umwelt- und Tierschutzverbänden ist. Das alles geschieht in der Arbeitsgruppe beim DBV, in der ich für Niedersachsen mitarbeiten darf.

Zusätzliche Belastungen können wir in der angespannten Marktsituation nicht gebrauchen. Sie kommen jedoch nicht nur durch die Tierwohldebatte hauptsächlich auf die Schweine- und Geflügelhalter zu. Wir alle werden durch die neue Dünge-VO betroffen sein.  

Diese Verordnung wird die Rahmenbedingungen für überbetrieblichen Nährstofftransfer massiv verschlechtern, die Flächenknappheit erhöhen und vornehmlich die kleinen flächenarmen Betriebe mit Veredlung und Tierhaltung in Weser-Ems treffen. Allerdings wird sie wohl erst Mitte des nächsten Jahres in Kraft treten. Eigentlich hätte man eine novellierte Dünge-VO bereits 2013 vor der Bundestagswahl machen sollen. Ministerin Aigner wollte das Thema nicht im Wahlkampf haben. Das rächt sich jetzt. Verantwortlich für die Novelle ist das BMEL von Minister Dr. Schmidt, das BMEL benötigt jedoch die Abstimmung mit dem Umweltministerium. Besonders der dortige Staatsekretär Jochen Flassbarth ist offensichtlich alles andere als ein Freund der Bauern, denn ihm können die Verschärfungen gar nicht weit genug gehen. Durchsetzungsstark gegen diesen Staatssekretär scheint Minister Dr. Schmidt nicht unbedingt zu sein, zumal er auch noch die sieben Landesminister der Grünen berücksichtigen muss, deren Zustimmung er im Bundesrat benötigt. So dürfen wir seit Monaten ein großes politisches Ränkespiel beobachten‚ bei dem Wasserversorger, Umweltverbände und Umweltministerium den Landwirtschaftsminister alt aussehen lassen.

Am Ende scheint für uns Bauern eine mittlere Katastrophe herauszukommen, denn die Fachlichkeit ging über weite Strecken verloren. Warum z. B. früh gesäte Gerste im Herbst noch Gülle bekommen darf, Winterweizen jedoch nicht, das lässt sich fachlich nicht begründen. Das hat in Ostfriesland für den Nährstofftransfer in aufnahmewillige Ackerbetriebe der Küstenmarsch aber große Bedeutung. Aus Gründen des Bodenschutzes nehmen die Ackerbauern den Wirtschaftsdünger nach der Ernte in Vorbereitung auf die Raps- und Winterweizenaussaat gerne auf, nicht aber im Frühjahr in die wachsenden Bestände. Wir müssen mit der Dünge-VO die Nitrat-RL der EU umsetzen. Die Deutschen ergänzen dies jedoch noch völlig ohne Druck um eine Phosphatbegrenzung. Mittlerweile ist die Phosphatregelung wohl tatsächlich entschärft, bleibt aber problematisch.  

Besonders bestraft bei der zukünftigen Dünge-VO sind die Grünland- und Futterbaubetriebe, die eigentlich am wenigsten Verursacher von Nitratproblemen waren. Ihnen wird eine plausibilisierte Flächenbilanz vorgegeben, die in Richtung Hoftorbilanz geht. Zukünftig sind Bilanzüberschüsse von 50 und bald von 40 kg N/ha und Jahr einzuhalten. Diese Grenze passt zu der Feld-Stall-Bilanz. Ausgerechnet bei den Grünland- und Futterbaubetrieben kommt jetzt aber der Methodikbruch zur Hoftorbilanz, bei deren Berechnung sich immer deutlich höhere Überschüsse ergeben. Fachlich erklärbar ist der Methodenwechsel beim Grünland und Futterbau in keiner Weise. Er macht die Dünge-VO inkonsistent. Man behilft sich beim Grünland mit hohen Korrekturfaktoren für unvermeidliche Verluste. Damit ist aber die nächste Eskalationsstufe im Strangulieren der Grünlandbauern politisch vorprogrammiert. Die Politik wird die aberwitzigen, nicht fachlichen Korrekturfaktoren hinterfragen und bald anpassen, besonders wenn durch die NEC-Richtlinie die Ausbring- und Lagerverluste offensichtlich reduziert sind. Nicht die verlängerte Sperrfrist für die Ausbringung im Winter, nicht die erhöhte Anforderung an Lagerraum für Gülle ist das Kernproblem der novellierten Dünge-VO für die Bauern. Das Hauptproblem werden die veränderten Nährstoffbilanzen und die zusätzliche Bürokratie sein. Im Hintergrund für die Bilanzierung erhalten wir gänzlich neu hinterlegte Tabellenwerte und Rechengänge, die besonders die Grünlandbauern tendenziell in eine extensivere Richtung zwingen oder mehr Fläche erforderlich macht. Viele Grünlandbauern, die so sehnsüchtig auf eine neue Derogationsregelung warten, werden, so fürchte ich, überrascht sein von den Bilanzergebnissen und den neuen Hürden, die vor der Anwendung der Derogation stehen.

 

Neue Probleme für den ganzen Sektor Landwirtschaft wird die NEC-Richtlinie der EU mit den Regelungen für Obergrenzen bei der Emission von Ammoniak und Methan bringen. Die Reduktionsziele für Deutschland, die sich der Umweltausschuss des EU-Parlaments mit den Stimmen von SPD, Grünen und FDP ausgedacht hat, sind weit entfernt von realistisch erreichbaren Werten.   Selbst wenn die Harnstoffdüngung verboten würde, wenn alle Schweine- und Geflügelställe hermetisch abgedichtet und mit Luftwäschern ausgestattet wären, würde es nicht annähernd reichen. Auch die Rinderställe müssten anders gebaut werden, nicht mehr als Außenklimaställe sondern als geschlossene Ställe mit Abluftfilterung. Damit stehen die Zielsetzungen des Tierwohls bei den Rindern und die Forderung nach Beibehaltung des Weidegangs in krassem Konflikt mit der Luftreinhaltung. Was sollen eigentlich Zielwerte, die unerreichbar sind, politisch bewirken? Damit steht aber die Zukunft der ganzen Tierhaltung in Deutschland auf dem Spiel.

MdEP Matthias Groote ist ein wichtiger Mann in der europäischen Umweltpolitik. Ich habe ihn wegen der Beschlüsse des Umweltausschusses des EP angeschrieben und auf die Konsequenzen für seinen ostfriesischen Wahlkreis hingewiesen. Geantwortet hat er bis heute nicht. Das hat uns sehr enttäuscht und unsere Skepsis gegenüber der Umweltpolitik der EU und der Generaldirektion Umwelt im Besonderen, ausgelöst durch den Masterplan Ems, nochmals beflügelt. Die Bauern stehen eigentlich zu Europa. Das Verhalten europäischer Umweltpolitiker, wie das von Matthias Groote, bringt uns dann allerdings sehr ins Zweifeln.

Die augenblickliche Ratspräsidentschaft hat das Thema der NEC-Richtlinie bei Ammoniak und Methan schon etwas entschärft, aber noch längst nicht befriedigend gelöst. Die Umsetzung der NEC-Richtlinie kann verheerende Auswirkungen auf die Tierhaltung in Deutschland haben. Es kommt sogar allmählich der Verdacht auf, es könnte Zielsetzung dieser Politik sein, die Tierhaltung in Deutschland ins Mark zu treffen. Das passt zu der von den Grünen ausgerufenen Agrarwende. Das passt aber nicht zur Absicht von Minister Meyer, kleine Betriebe besonders zu fördern und zu schützen und den Strukturwandel abzumildern. Bei der Dünge-VO berichtet Minister Meyer, wie sehr er um niedrige Anrechnungen des Nährstoffanfalls aus Weidegang kämpft. Diese Anrechnung wird sich jetzt von 25 auf 40 Prozent erhöhen. Für die Gesamtthematik ist diese Anrechnung und diese Zahl aber eigentlich nur ein Nebenkriegsschauplatz. Neben der Dünge-VO werden wir gleichzeitig ein neues Düngegesetz erhalten. In diesem Gesetz werden die Rechtsgrundlagen geschaffen für Öffnungsklauseln auf Länderebene, um die Dünge-VO auf Länderebene verschärfen zu können und um noch mehr Dokumentation und Daten einfordern zu können. Besonders Minister Meyer meint, damit die Nährstoffüberschussproblematik in einigen Landkreisen lösen zu können. Nach meiner Auffassung hat er bereits heute alle Möglichkeiten in der Nährstoffüberwachung, z. B. in Verbindung mit der Nährstoffdatenbank.

Die Krönung ist jetzt, dass das Schicksal der Dünge-VO und des Düngegesetzes politisch vom Bundesumweltministerium noch mit Fragen des Bestandsschutzes von JGS-Altanlagen verknüpft wird. Wir vom Berufsstand fordern eine generelle Verschonung dieser Altanlagen von nicht umsetzbaren Nachrüstauflagen oder generellen Sachverständigenprüfungen. Bei Neuanlagen werden ambitionierte Leckageprüfungen und Zeltabdeckungen nicht zu verhindern sein. Hoffentlich bleiben die zukünftigen Anforderungen bei der Silagelagerung im lösbaren Rahmen.

 

Beim Landesraumordnungsprogramm (LROP) hat die geplante Moorentwicklung und Wiedervernässung unsere Moorbauern vor einem Jahr elektrisiert und mehr als 300 Einzelstellungnahmen aus dem LHV-Bereich von betroffenen Bauern auf Moorstandorten provoziert. Mit zeitlicher Verzögerung haben wir jetzt kurz vor Weihnachten den überarbeiteten Entwurf im Internet sehen können. Unser Protest aus dem letzten Herbst ist erfolgreich gewesen. Die Moorentwicklung und Wiedervernässung von den anvisierten 100.000 ha ist vom Tisch. Es gibt für diese Gebiete jetzt eine Landwirtschaftsklausel, deren Tragfähigkeit wir in diesen Tagen noch genauer prüfen müssen. Leider gibt es auch eine Kröte zu schlucken, nämlich zusätzliche Torfabbaugebiete von 5.000 ha, die nach dem Abbau wieder vernässt werden, folglich der landwirtschaftlichen Nutzung verloren gehen. Der Torfabbau soll zusätzlich begleitet werden durch Anlage von Kompensationsflächen. Im Ergebnis werden der Landwirtschaft damit zusätzliche Flächen entzogen.

Wir werden als LHV eine Stellungnahme auf den Weg bringen. Die Reaktionszeit für uns ist extrem kurz und fällt in die Weihnachtszeit und den Neujahrswechsel. Schlusstermin für Einwendungen ist der 6. Januar 2016. Sehr bürgerfreundlich ist diese Terminierung nicht.

 

Beim Thema „Kompensation“ können wir als Landwirtschaft keinen Fortschritt hin zu veränderten Strategien, weg von der permanenten Flächeninanspruchnahme feststellen.

In Ostfriesland hat der Masterplan Ems hohe Wellen geschlagen und eine als historisch einzustufende Kreistagssitzung im März in der Viehhalle in Leer mit der denkbar knappen Entscheidung für Annahme des Masterplans hervorgerufen. Auch nachdem 9 Monate ins Land gegangen sind, bleiben wir bei unserer ablehnenden Haltung zum Masterplan, nicht nur weil die Landwirte bis zum Jahr 2050 700 Hektar landwirtschaftliche Nutzfläche verlieren. Verstärkt werden die negativen Wirkungen durch die gleichzeitige Umsetzung des Life-Projektes für die Uferschnepfe und den Wachtelkönig, das mit 22 Mill. Euro ausgestattet ist.

Wir bleiben auch dabei, dass das Lenkungsgremium als Organ des Masterplans die kommunale Planungshoheit zur wirtschaftlichen Entwicklung entlang des Wirtschaftsraums Ems aushebelt, dass der Einfluss der Umweltverbände in diesem entscheidenden Gremium überproportional hoch ist und der Landwirtschaft als Hauptbetroffene nur ein Platz am Katzentisch des Steuerungsausschusses eingeräumt wurde.

Die Macht der Umweltverbände ist so groß geworden, dass sie die Landesregierung erpressen konnten. Das macht uns Landwirten Angst. Das hat aber auch Konsequenzen für die zukünftige Kooperation mit den Umweltverbänden. Wir sorgen uns, dass Erfolge, z. B. beim Brutvogelschutz, sofort neue Forderungen der Verbände nach neuen Unterschutzstellungen auslösen könnten. Alarmiert sind wir durch die Forderung des NABU, das Leda-Jümme-Gebiet großflächig auch als Vogelschutzgebiet zu melden, obwohl schon 20 % unserer landwirtschaftlichen Nutzfläche als Vogelschutzgebiet gemeldet sind. Wir müssen annehmen, dass der NABU seine Expertise schon längst wieder an die Generaldirektion Umwelt in Brüssel geschickt hat. Die guten Drähte zwischen der Generaldirektion Umwelt und deutschen Umweltverbänden sind hinlänglich bekannt und wurden auch beim Masterplan Ems im ultimativen Auftreten des Vertreters der Kommission allzu deutlich. Wir erinnern uns sehr deutlich, dass die nationale Souveränität bei der Meldung der letzten Tranche der Vogelschutzgebiete praktisch ausgehebelt war, dass Mindeststandards an Rechtsstaatlichkeit nicht mehr zum Zuge kamen.

Der Standort der Meyer-Werft mag durch den Masterplan einstweilig gesichert sein. Die Konflikte in der Region bleiben. Die Wasserqualität der Ems ist schlecht. Sie wird aber auch durch neue Vogelschutzgebiete nicht besser. Es bleibt zu befürchten, dass die Umweltverbände, die Maßnahmen, die am effektivsten zur Reduktion des Sedimenteintrags beitragen würden, ablehnen, um ihre Prestigeprojekte, Tidepolder und Auenwälder voran zu bringen.

Zur Konfliktbeseitigung und Minimierung des agrarstrukturellen Schadens durch den neuerlichen Flächenbedarf gibt es das Instrument der Flurneuordnung. Aber dieses Instrument setzt Herr Sickelmann mit seinem Amt für regionale Landesentwicklung (ArL) gerade nicht ein, weil die Mittel im Pfeil-Programm auch nicht vorgesehen sind. So wird das Land kaufen, wo es Fläche erwerben kann, ohne große Rücksicht auf landwirtschaftliche Betriebe, die sich weiter entwickeln wollen. Die Wellen dieser Strategie spüren wir bis weit in den Landkreis Aurich hinein, z. B. am Großen Meer. Der Landerwerb für Naturschutz durch das Land treibt hier die Kaufpreise in Höhen, die sich mit der Bonität der Flächen überhaupt nicht rechtfertigen lassen. Das freut potentielle Verkäufer, ist aber ein Riesenproblem für die wirtschaftenden Landwirte. Am Ende dieser Kette werden leistungsfähige, gewachsene Betriebe zerschlagen, was wir am Beispiel durchaus belegen können.

 

Bei der Gänseproblematik sind wir im LHV am Ball, tauschen uns aus mit den anderen betroffenen Kreisverbänden, aber auch mit den Kollegen von den Niederlanden bis nach Dänemark. Es deutet sich an, dass wir allmählich Unterstützung aus der Wissenschaft bekommen für unsere These, dass die Nonnengänse mit ihrer Populationsdynamik von 10 % Wachstum zu einer Problemart werden und deshalb der Schutz nach Anhang 1 der Vogelschutz-RL zu hinterfragen ist.

Die Landesregierung will jetzt endlich das umfassende Gänsemonitoring einrichten, das für Vogelschutzgebiete ohnehin selbstverständlich sein müsste. Endlich soll auch ein Monitoring der Sommergänse, also besonders der Graugänse stattfinden. Die Wissenschaft führt aus, dass es hierzu bislang kaum Kenntnis zum Populationsstand und zu seiner Entwicklung gibt. Landwirte und Fischer konstatieren, dass Graugänse schon längst zu einer Landplage geworden sind, die immense Schäden verursachen, die niemand ausgleicht.

Die Landesregierung möchte ungern mehr als die jetzigen 5,7 Mill. Euro für die Agrarumweltmaßnahme „Nordische Gastvögel“ einsetzen, ist aber bereit zu neuen Ansätzen, z. B. beim Rastspitzenmanagement im Grünlandbereich. Dort, wo Schäden durch den Vertragsnaturschutz nicht mehr gedeckt sind, dort wo gar keine Verträge angeboten werden, obwohl massive Schäden auftreten, müssen unsere Landwirte ihre Schäden an den Kulturen dokumentieren und konsequent in Rechnung stellen. Notfalls müssen wir vor Gerichten einklagen, dass unsere Leistungen für den Artenschutz bei den Gänsen zu honorieren sind. Erst wenn es Geld kostet, befürchte ich, wird die Landesregierung ernsthaft über Gänsemanagement nachdenken. Bislang gilt beim Gänsemanagement einzig die niedersächsische Willkommenskultur, die da heißt: Jede Gans ist willkommen. Es sieht so aus, dass wir bei den Sommergänsen die Grauganspopulation allein durch jagdliche Maßnahmen nicht mehr steuern können. Wir sollten höllisch aufpassen, dass uns dies nicht auch noch bei den Nil- und Kanadagänsen passiert.

 

Die Zeit reicht bei weitem nicht, um alle Themen, die wir in diesem Jahr beim LHV für unsere Mitglieder zu bearbeiten hatten, abzuhandeln.

Dringend warten wir beim Grundstücksverkehr, dass Minister Meyer etwas gegen die Aushöhlung des siedlungsrechtlichen Vorkaufsrechts unternimmt, um Landwirte vor außerlandwirtschaftlichen Investoren zu schützen. Ganz dringlich ist dabei auch der Verzicht auf die zweimalige Grunderwerbssteuer, die den Flächenerwerb für den Nacherwerber so enorm verteuert. Immerhin beträgt diese Steuer bereits 5 % vom Kaufpreis. Die jetzige Regelung ist bodenpolitisch das völlig falsche Signal.

 

Ein roter Faden meiner Ausführungen hoffe ich, ist erkennbar geworden. Die Landwirtschaft in Deutschland, Niedersachsen und Ostfriesland kann verschlechterte wirtschaftliche Rahmenbedingungen, die wir durch die Umweltpolitik und Tierschutzpolitik befürchten müssen, wirtschaftlich momentan überhaupt nicht verkraften. Von den Märkten wissen wir, dass es vom jetzigen Tief auch wieder ein Umschwenken auf ein Hoch geben wird. Die Politik kann dieses Umschwenken wahrscheinlich nicht beschleunigen, z. B. durch Beseitigung des Russlandembargos. Bei uns Landwirten bleibt die Sorge, dass das Preistal zu lange währt, dass zu viele Betriebe verloren gehen, bis es wieder aufwärts geht.

Wenigstens hat Ostfriesland im Jahr 2015 nicht auch noch durch ungünstige Witterung gelitten. Die Ernte war durchweg gut und die Futterversorgung der Rinderbestände ist bis zum nächsten Frühjahr gut gesichert. Das ist und war nicht überall in Europa so. Für 2016 hoffen wir deshalb erneut auf günstigen Witterungsverlauf und hoffen, dass an den Märkten bald wieder deutlich mehr als 32 Cent Grundpreis für Milch, mehr als 20 Euro/dt Getreide und mehr als 50 Euro für ein Ferkel erlöst wird, damit Landwirtschaft nicht zur Mühe macht, sondern auch endlich wieder Lohn bringt und Freude macht.

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