Landwirtschaftlicher Hauptverein für Ostfriesland e.V.

05.02.2016

Fachgespräch des Umweltministeriums mit Landwirten in Brüssel

Am 4. und 5. Februar 2016 waren Erich Hinrichs, Carl Noosten, Klaus Borde, Albert Martens und Rudi Bleeker in Brüssel, um mit Vertretern der Generaldirektion Umwelt über die Probleme der nordischen Gastvögel in Niedersachsen zu diskutieren. In einer Pressemitteilung des Niedersächsischen Ministerium für Umwelt, Energie und Klimaschutz wurden die Ergebnisse des Gesprächs zusammengefasst:

 

Fachgespräch des Umweltministeriums mit Landwirten in Brüssel: Niedersachsen erstellt Plan für Gänsemanagement – Guten Erhaltungszustand der Arten und landwirtschaftliche Produktion sichern.

 

Auf Einladung der Staatssekretärin im Niedersächsischen Ministerium für Umwelt, Energie und Klimaschutz Almut Kottwitz haben sich am gestrigen Donnerstag (04.02.2016) in Brüssel Vertreter der Landwirtschaft und der Europäischen Kommission zu einem Fachgespräch über Möglichkeiten für ein Gänsemanagement in der Region Weser-Ems getroffen. An der Beratung nahmen die Vorsitzenden der Landvolkverbände Friesland und Wesermarsch sowie des Landwirtschaftlichen Hauptvereins für Ostfriesland teil.

 

Die Besuchergruppe erläuterte die aktuelle Situation und die Probleme der Landwirtschaft mit den Grau- und Nonnengänsen im niedersächsischen Küstengebiet und berichtete von einer steigenden Zahl von Nonnengänsen und einer längeren Verweildauer, die auch zu Einschränkungen bei der Nutzung landwirtschaftlicher Flächen führen würden.

 

Das Ziel war es, Maßnahmen zu erörtern, die sowohl der Landwirtschaft helfen, als auch im Einklang mit den Brüsseler Naturschutzrichtlinien stehen.

 

Als Ergebnis des Fachgesprächs wurde vereinbart:

Für die unter Naturschutz stehenden Nonnengänse werden Managementpläne mit Maßnahmen erstellt, die auf einen guten Erhaltungszustand der Art hinzielen. Dazu können auch Maßnahmen zur Begrenzung der Population, entsprechend Artikel 9 der Vogelschutzrichtlinie, gehören. Hierin ist geregelt, dass, wenn beispielsweise eine landwirtschaftliche Produktion durch die Schäden quasi nicht mehr möglich ist, auch in ausgewiesenen Schutz­gebieten im Einzelfall die Begrenzung der Bestände veranlasst werden kann. Auch im Hinblick auf internationale Abkommen werden für die Grau- und Nonnengänse entsprechende Managementpläne gefordert.

Gleichzeitig wird sich Niedersachsen dafür einsetzen, dass sich die deutschen Küstenländer verstärkt an der Umsetzung des internationalen Abkommens zur Erhaltung der afrikanisch-eurasischen wandernden Wasservögel (AEWA) beteiligen. Darin sind für die Nonnengänse Managementpläne zwingend vorgesehen.

 

Zusammenfassend stellte Umweltstaatssekretärin Kottwitz fest: „Niedersachsen wird für den gesamten Küstenbereich einen Managementplan erarbeiten, der den guten Erhaltungs­zustand der betroffenen Arten auf Dauer sichert und in dem auch die Möglichkeiten zur nachhaltigen Kontrolle der Population der Nonnengänse geprüft werden, sodass in dem Gebiet eine für die Landwirtschaft tragfähige Produktion weiter ermöglicht werden kann."

Da sowohl in den Niederlanden als auch in Dänemark ähnliche Probleme bestehen, soll dieser Plan in der Trilateralen Wattenmeerkonferenz abgestimmt werden.


Erich Hinrichs zu den Hintergründen des Gesprächs

Paradigmenwechsel beim Gänsemanagement in Niedersachsen und darüber hinaus?

 

„Eine normale landwirtschaftliche Bewirtschaftung ist so nicht mehr möglich“ konstatierte die Staatssekretärin im Landesumweltministerium Niedersachsens, Almut Kottwitz bei einem von ihr organisierten Gespräch mit Vertretern der Generaldirektion (GD) Umwelt der EU-Kommission, betroffenen Bauern und Landvolkvertretern aus den Küstenkreisen von Weser-Ems.

 

Ein Paradigmenwechsel beim Gänsemanagement zeichnet sich in Niedersachsen ab. Mitmachen müssen aber alle betroffenen Länder entlang der Flugrouten von Nordischen Gastvögeln. Auch das Management von brütenden Gänsen in Mitteleuropa, vornehmlich der Graugans wird nicht weiter ausgeklammert und kommt auf die Agenda.

 

Das Land Niedersachsen bietet den Landwirten in den ausgewiesenen Vogelschutzgebieten mit Bedeutung für den Gänseschutz bislang Vertragsnaturschutz für die Leistungen in den Wintermonaten bei der Gänseäsung an. Die Konditionen wurden durchaus mehrfach verbessert. Aber die Gänse kommen immer früher und bleiben immer länger. Sie dezimieren und verkoten den ersten Schnitt des Grünlands oder vernichten Wintersaaten. Niedersachsen hat 120 000 ha Gänsefläche in Vogelschutzgebieten der EU gemeldet. Eine Förderkulisse gibt es aber nur für maximal ein Viertel dieser Fläche. Selbst für die Fördergebietskulisse reicht das vorgesehene Budget nicht aus. Neue Verträge können nicht mehr abgeschlossen werden. Viele Bauern haben Gänseschäden, erhalten aber keinen Zugang zum Vertragsnaturschutz und auch keinen Schadensausgleich. Das ist nicht länger akzeptabel. Das hat offensichtlich auch das Umweltministerium eingesehen und zusammen mit den Bauern den Weg nach Brüssel gesucht. Für die deutlichen Worte, die Staatssekretärin Kottwitz dabei in Richtung GD Umwelt sandte, sind die Bauern in Weser-Ems ihr sehr dankbar. Bei den Nonnengänsen und Graugänsen muss etwas passieren, in dieser Einschätzung sind Ministerium und Bauern sich einig.

 

Bei den Nordischen Gastvögeln sind es hauptsächlich die Nonnengänse, die starke Schäden an landwirtschaftlichen Kulturen verursachen. Wissenschaftler schätzen das jährliche Wachstum der Population der Nonnengänse in Europa auf jährlich 8 Prozent. In weniger als 10 Jahren würde sich demnach die Population verdoppeln. Aber bereits heute sind die Konflikte mit der Landwirtschaft, mit dem Luftverkehr, aber auch negative Effekte auf die Ökosysteme enorm.

 

Die Nonnengans befindet sich in Annex 1 der Vogelschutzrichtlinie und darf demgemäß nicht bejagt werden. Der Artikel 9 dieser Richtlinie erlaubt aber durchaus Managementeingriffe, wenn der gute Erhaltungszustand einer Art nachhaltig gesichert ist. Das haben die Vertreter der GD Umwelt ausdrücklich bestätigt. Rückenwind erhalten diese Managementgedanken aus der Wissenschaft. Ausgehend von einem vom dänischen Umweltministerium und der Universität Aarhus organisierten Kongress zur Gänsethematik im Oktober 2015 ist eine Resolution an die AEWA auf den Weg gebracht worden, die ein international koordiniertes Gänsemanagement mit klaren Populationszielgrößen prioritär für die Nonnen- und für die Graugans fordert. Die AEWA, ein internationales Wasservogelabkommen für Afrika und Eurasien, hat diese Resolution angenommen und soll nun die Plattform für ein solches Gänsemanagement werden. Es gibt bereits einen wissenschaftlich begleiteten Managementplan für die Kurzschnabelgans im Rahmen von AEWA, der als Musterbeispiel gelten kann. Von den wichtigsten Nordischen Gänsearten machen die Ringelgänse und die Blässgänse deutlich weniger Probleme. Für diese Arten sind derzeit keine Managementpläne vorgesehen.

 

Diesen Ansatz will Niedersachsen unterstützen. Weiterhin will es die Strukturen der trilateralen Wattenmeerzusammenarbeit mit den Niederlanden und Dänemark sowie Schleswig-Holstein nutzen, denn die Gänseprobleme sind überall entlang der Wattenmeerküste von Den Helder bis Esbjerg identisch.

 

Im Rahmen des Wadden Sea Forums, das aus diesem Grund bereits 2002 als unabhängiges Stakeholder-Forum der Wattenmeerregion eingerichtet wurde, hatte eine Arbeitsgruppe schon im Jahr 2010 und erneut im Jahr 2013 Vorschläge für ein zumindest entlang der Küste trilateral koordiniertes Gänsemanagement erarbeitet. Mitwirkende dieser Arbeitsgruppe sind Wissenschaftler, Behördenvertreter des Naturschutzes sowie jeweils ein Landwirt aus Niedersachsen, aus Schleswig-Holstein, Niederlande und Dänemark. Ebenso ist der WWF eingebunden. Für Niedersachsen ist der Präsident des Landwirtschaftlichen Hauptvereins für Ostfriesland e. V., Erich Hinrichs, von Anfang an dabei, immer in der festen Überzeugung, dass das Gänseproblem sich regional nicht lösen lässt, sondern einer internationalen Koordination bedarf.

 

Auf den Wattenmeerkonferenzen auf Sylt und in Tonder wurden die Vorschläge abgesegnet und ihre Umsetzung durch die jeweiligen Umweltministerien zugesagt. Passiert ist dann zunächst nichts. Jetzt scheint endlich Bewegung in die Sache zu kommen. „Das wird auch höchste Zeit!“ so Hinrichs. Nach dem Motto „Besser zu spät als nie“ hoffen die Bauern nun, dass das Umweltministerium Niedersachsens jetzt am Ball bleibt und auch das Ministerium in Schleswig-Holstein munter macht.

 

Wissenschaftler schätzen, dass bis Ende 2018 ein solches Gänsemanagement für Nonnengans und Graugans entwickelt werden kann. Im ersten Schritt hat Niedersachsen seit letztem Herbst das Gänsemonitoring deutlich verstärkt und zeitlich ausdehnt. Ohne gutes Monitoring und Datenmanagement, ist ein von der Kommission akzeptiertes Gänsemanagement nicht zu etablieren.

 

Die Landwirte mit jährlich zunehmenden Gänseschäden haben vielfach keine Geduld mehr. Sie sollten unbedingt ihre Schäden und das Gänseaufkommen dokumentieren. Zumindest dort, wo Schutzgebietsverordnungen Vergrämungen nicht zulassen, sollten die finanziellen Einbußen durch Gänseäsung den Behörden in Rechnung gestellt werden. Die Bauern müssen den Druck auf Ministerien und Naturschutzbehörden hoch halten, damit endlich Lösungen in Richtung Bestandskontrolle für Nonnengans und Graugans gefunden werden.

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