Landwirtschaftlicher Hauptverein für Ostfriesland e.V.

09.12.2016

LHV-Delegiertenversammlung 2016

Das Jahr neigt sich dem Ende zu, Zeit für die obligatorische LHV-Delegiertenversammlung.

Die Haushalte wurden in den vergangenen Wochen auf den Kreisdelegiertenversammlungen bereits ausführlich diskutiert. Der LHV e.V. ist zufrieden mit den Ergebnissen seiner Töchter.

Trotz mittlerweile positiver Tendenzen auf Milch- und Schweinemärkten war es kein gutes Jahr. Es sind nicht nur die niedrigen Preise, die den Landwirten zu schaffen machen, auch die Angriffe auf einen ganzen Berufszweig werden gefühlt mehr und agressiver. Einbrüche in Ställe gelten als Kavaliersdelikt und für sämtliche Umweltprobleme werden zunächst die Landwirte in die Pflicht genommen. Viele Landwirte sind verunsichert, geht es weiter, wenn ja wie und will ich das überhaupt noch? Präsident Erich Hinrichs umreißt diese und andere Themen in seinem agrarpolitische Bericht (s.u.).

MdEP Jens Gieseke versuchte den Landwirten Mut zu machen. Er schilderte seinen Alltag als Europaabgeordneter und seine Ziele. Er forderte, dass man Landwirte nicht stigmatisieren dürfe. In den Debatten um Rückstände in Lebensmitteln müsse man die Kirche im Dorf lassen und blickte auf die Auseinandersetzungen zum Thema Glyphosat zurück. In der anschließenden Diskussion stellte er sich den Fragen der Landwirte.

Erich Hinrichs betonte in seinem Schlusswort "Wir dürfen bei all dem Negativen aber das Gute nicht aus den Augen verlieren. Wir haben einen wunderbaren Beruf."

 

  437 Kb
  430 Kb
  435 Kb
  428 Kb
Erich Hinrichs
Erich Hinrichs 339 Kb
  464 Kb
  451 Kb
  377 Kb
Jens Gieseke
Jens Gieseke 337 Kb
  405 Kb

Agrarpolitischer Bericht 2016

von Präsident Erich Hinrichs  

 

(Es gilt das gesprochene Wort)

 

Das Jahr 2016 stellte die bäuerlichen Familien mit ihren Betrieben vor extrem hohe Herausforderungen. Schon an den ersten Tagen des neuen Jahres war erkennbar, dass die Marktkrise und die damit verbundenen Liquiditätsengpässe sich noch weiter verschärfen würden. Die Milchvieh- und Futterbaubetriebe als wichtigste Betriebsform in Ostfriesland waren massiv vom weiteren Preisrutsch im Frühjahr betroffen, aber auch im Schweinebereich setzte sich die anhaltend schwierige Marktlage fort und auch Getreideackerbaubetriebe leiden dieses Jahr unter einem schwachen Marktpreis.

Verstärkt wurden die Herausforderungen durch den ungünstigen Witterungsverlauf. Bis zum Herbst hin, wollten sich längere Schönwetterperioden einfach nicht einstellen. Die kurzen trockenen Perioden waren zudem kaum vorhersehbar. Unter diesen Bedingungen hat die Grassilageernte besonders beim 1. Schnitt gelitten, wurde verzögert und hat nicht die Qualität, die wir erhoffen und für gute Leistungen aus dem Grundfutter gebrauchen. Die Niederschlagsmenge blieb zwar bis zum Herbst im Normalbereich. Naturkatastrophen mit Starkregen, wie in Bayern, blieben zum Glück bei uns aus. Der permanente Regen war für viele Früchte aber einfach eine Katastrophe, denken wir einmal an die Erdbeeren.

Im Frühjahr stand das Getreide, stand der Raps noch hervorragend. Nässe und Kälte zum falschen Moment haben im Laufe der Vegetation den Normalertrag zusammenschmelzen lassen. Durchweg wurde katastrophal schlecht in Ostfriesland bei Raps und Getreide geerntet, weil  für die Kornfüllungsphase wahrscheinlich die Sonne fehlte.

Der Mais stand in diesem Jahr auf viel zu vielen Flächen miserabel. Dort wo die Bodenstruktur nicht optimal war, zeigte der Mais eine sogenannte Wellenkrankheit. Der Bonsaimais auf dem einen oder anderen Maisschlag verriet aber auch allzu deutlich, welcher Standort sich nicht wirklich für den Maisanbau eignet. Ganz schwierig war es in diesem Jahr für die Kartoffelbauern, die Phytophtora in Griff zu halten.

Zur Kartoffelernte stellte sich dann endlich stabiles, sonniges Wetter ein. Auf einmal waren die Böden eher zu trocken. Das behinderte auch die Wintergetreidebestellung und wurde für die Kreiseleggen zum Härtetest.

Im Augenblick sind die Böden noch immer vergleichsweise sehr trocken. Die Wintergetreidesaaten sind fast alle noch gut aufgelaufen und präsentieren sich prächtig. Die Maisernte hat vom trockenen Herbst enorm profitiert. Das Grünland konnte bis zum Schluss optimal genutzt werden, ob durch Schnitt oder Weide und geht ohne Narbenschäden in den Winter.

Ein Jahr, das auch von der Wetterseite die Nerven der Bauern strapazierte, geht damit aus diesem Blickwinkel versöhnlich zu Ende.

Von einem versöhnlichen Ausklang können wir zum Jahresende auch mit Blick auf die Milchmarktentwicklung sprechen. Die Käsepreise und besonders die Butterpreise haben sich seit dem Sommer kräftig erholt. Allein die Magermilchpulverpreise hinken in der Entwicklung noch deutlich hinterher, auch deshalb, weil die EU schon an Verkauf von größeren Mengen aus den Interventionsbeständen denkt. Die Auszahlungspreise der Molkereien liegen zum Jahreswechsel wohl durchweg oberhalb der 30 Cent-Marke als Grundpreis.

Nach unendlich langer Tiefstpreis Phase haben sich auch die Schweinepreise auf ein auskömmliches Niveau eingependelt. Nur die Getreidepreise verharren noch weitgehend auf einem zu niedrigen Niveau. Das wiederum ist für Veredler und Milchviehhalter beim Mischfuttereinkauf sehr vorteilhaft.

Trotz versöhnlichen Jahresübergangs ist damit die Markt- und Liquiditätskrise noch längst nicht ausgestanden, zumal die Liquidität noch gar nicht richtig auf den Höfen angekommen ist.

Die Wirtschaftsergebnisse aus dem letzten Wirtschaftsjahr 2015/16 zeigen, dass der durchschnittliche Haupterwerbsbetrieb in den letzten beiden Jahren mindestens 10.000 Euro Eigenkapital verloren hat. Dies ist jedoch nur eine Durchschnittszahl. Im Einzelbetrieb sieht es vielfach deutlich schlechter aus, in einigen Betrieben allerdings auch besser. Bei den Futterbaubetrieben ist jedoch der rasante Markteinbruch und totale Marktverfall, den wir ab April mit den neuen desaströsen Frischmilchkontrakten und Käsepreisen unter Interventionspreisniveau erlebt haben, in diesen Zahlen noch gar nicht eingebaut. Selbst, wenn die Markterholung sich bis zum Frühjahr so fortsetzt, sind für dieses Wirtschaftsjahr 2016/17 kaum bessere Wirtschaftsergebnisse zu erwarten, zumal das Wirtschaftsjahr durch die miserable Getreideernte und schlechte Futterernte belastet ist.

In keinem anderen EU-Land, abgesehen vom Baltikum und von Osteuropa, sind die Milchproduktpreise so radikal in den Keller gerutscht wie auf dem deutschen Markt. Europaweit agierende Molkereiunternehmen, wie Friesland Campina oder ARLA haben deutlich gemacht, dass sie in Deutschland die Auszahlungspreise subventionieren mussten. In keinem anderen EU-Land ist die Konzentration im Lebensmitteleinzelhandel auf vier große Player ausgeprägter und der Preiswettbewerb ruinöser als auf dem deutschen Markt. Es ist offensichtlich, dass bei ausgeprägtem Angebotsdruck der nicht annähernd gleichwertig aufgestellte Molkereibereich an die Wand gedrückt wird und zusätzlich mit immer neuen und kostenträchtigen Anforderungen zur Dokumentation von Nachhaltigkeit, die die Bauern erfüllen sollen, konfrontiert wird. Das Problem des desaströsen, deutschen Lebensmittelmarktes sind die Wettbewerbsstrukturen und die Möglichkeiten des Handels, die Marktmacht missbräuchlich einzusetzen. Davon profitieren die deutschen Verbraucher. Letztendlich werden jedoch Strukturen in der Wertschöpfungskette auf der Ebene Bauer und Molkerei ausgeraubt und in Gefahr gebracht.

Hilfe vom Bundeskartellamt haben die Bauern und Molkereien nie erfahren. Im Gegenteil, das Bundeskartellamt übersieht die Oligopol Strukturen des Handels, so lange die Verbraucher davon profitieren. Der Wirtschaftsminister festigt diese Strukturen entgegen dem Votum der Bundesmonopolkommission durch eine Ministererlaubnis (Kaiser‘s-Tengelmann) und das Kartellamt glaubt, die Bauern vor den eigenen Genossenschaften, denen sie freiwillig beigetreten sind, die ihnen gehören, schützen zu müssen, siehe das Verwaltungsprüfverfahren bei dmk, das sich offensichtlich endlos hinzieht.

Das Bundeskartellamt ist für die Bauern eine einzige Enttäuschung. Besonders über die Äußerungen des Kartellamtspräsidenten Mundt konnten Bauern nur empört sein.

Ein klein wenig Hoffnung gibt es doch noch. Das Kartellrecht soll in Deutschland novelliert werden und einige Vorschläge, die der Bauernverband von Prof. Lettl, einem Wettbewerbsrechtler der Uni Potsdam, in einem Gutachten hat erarbeiten lassen, sollen eingebaut werden. Damit soll in Zukunft deutlicher geregelt werden, was bei der Ausübung von Marktmacht von Oligopol Unternehmen verboten sein soll, z. B. das berühmte Anzapfen und das Aushandeln von „Hochzeitsrabatten“, mit denen EDEKA bei der Integration von Plus in seinen Konzern aufgefallen ist. Das Kartellrecht ist im Wettbewerb eine Seite, die nur dann wieder zu einem scharfen Schwert wird, wenn das Recht erfolgreich eingeklagt wird und die beabsichtigten Spielregeln auch zur Geltung kommen. Das ist garantiert noch ein langer Prozess, der den Bauern kurzfristig nicht helfen kann.

Von vielen Stellen, Politik aber auch Verbänden, wird Druck gemacht, Lehren aus der Agrarmarktkrise zu ziehen, damit sich eine solche Situation nicht wiederholt. Dabei ist viel Aktionismus und Populismus zu bewundern. Fakt wird wahrscheinlich sein, dass wir die Volatilität auf globalen Rohstoff- und Agrarmärkten wohl nicht mehr loswerden. Richtig ist es, sich Gedanken zu machen, wie die Auswirkungen abgemildert werden können.

Absicherungen über Warentermingeschäfte könnten dazu beitragen, die extremen Ausschläge auf den Märkten abzupuffern. Was für den Getreide- und Rapsmarkt selbstverständlich ist, steckt beim Milchmarkt noch in den Kinderschuhen. Wir begrüßen es, dass die Molkereien Ammerland und frischli hier voranschreiten und mit Testläufen für freiwillige Milcherzeuger an dieses Instrument heranführen wollen.

Auch die Lieferbeziehungen stehen in der Diskussion. Ganz schnell war aber klar, dass die Abnahmeverpflichtung zum Schutz der bäuerlichen Strukturen erhalten werden soll. So habe ich das immer wieder von unseren Bauern gehört. Diese Verpflichtung der Molkerei korrespondiert aber dann zwangsläufig mit der Andienungspflicht, solange Fairness bei den Vertragspartnern gelten soll. Über Kündigungszeiten kann man sicherlich trefflich streiten. Entscheiden sollten darüber jedoch bei den Genossenschaften die Mitglieder. Mit meinem Verständnis von unternehmerischer Selbstbestimmung ist es nicht vereinbar, dass der Staat sich hier einmischen will.

Heftig Druck gemacht wird vom Bund bezüglich der Gründung einer Branchenorganisation Milch. Die fünf großen Genossenschaftsmolkereien des deutschen Marktes wollen dieses positiv prüfen, ob dies ein Weg sein könnte, dem desaströsen deutschen Milchmarkt in Krisenzeiten mehr Stabilität zu verleihen. Auch könnten Brüsseler Fördergelder für generische Werbung, die seit dem Wegfall der CMA für Deutschland verfallen, eventuell von dieser Organisation positiv genutzt werden. Absurd ist es jedoch, anzunehmen, diese Organisation könnte gemeinsame Forschung, Entwicklung oder Markenbildung betreiben. Solange Wettbewerb herrscht, wird diese Aufgaben jede Molkerei für sich angehen wollen.

Die Anhänger einer Marktsteuerung wiederum hoffen, eine Branchenorganisation könne allgemeinverbindliche Lieferverträge festlegen, bei denen mindestens Drosselprämien in bestimmten Marktsituationen für alle Molkereien zwingend nach einem Muster vorgegeben werden. Das greift dann sehr tief in die Vertragsfreiheit zwischen Molkerei und Lieferant ein. Ich bin sehr skeptisch, ob dies die Bauern wirklich wollen und ob dies rechtskonform durchsetzbar ist. Aktuell zahlt eine große Privatmolkerei Boni für Mehrlieferung, während es bei einer anderen großen europäischen Molkerei Boni für Minderlieferung gibt. So einfach scheint die Findung einer gemeinsamen Linie nicht zu sein.

Beim LHV wollen wir im Milchausschuss die verschiedenen Möglichkeiten, zukünftig der Volatilität auf dem Milchmarkt zu begegnen, analysieren und die Chancen einer Realisierung kritisch beleuchten. Das gehört zu den dringendsten Aufgaben gleich zu Beginn des neuen Jahres. Dabei müssen wir auch bedenken, dass der Milchmarkt mittlerweile global vernetzt ist und eine globale Marktkrise sich allein mit nationalen Mitteln nicht beeinflussen lässt.

Auf dem Höhepunkt der Milchmarktkrise hat sich auf europäischer Ebene deutlich gezeigt, dass die Wiedereinführung einer Milchquote politisch nicht gewollt ist und eine auch nur vorübergehende obligatorische Mengensteuerung politisch eindeutig abgelehnt wurde. Freiwillige Anreizsysteme zur Mengensteuerung auf Molkereiebene sind aber jederzeit möglich und erlangen zukünftig eventuell wachsende Bedeutung. Die EU-Kommission selbst denkt nicht annähernd daran, den Weg der Marktorientierung auf den Agrarmärkten zu verlassen.

Was hat uns jetzt bei dieser Krise die Trendwende beschert? Objektiv betrachtet war es der Markt, der zwar verspätet reagiert hat, jetzt aber europaweit und weltweit mit massiver Angebotsreduktion auf die nicht kostendeckende Preissituation antwortet. In Deutschland liegen wir seit Wochen um fünf Prozent unter der Anlieferungslinie des Vorjahres. Ermöglicht hat die Trendwende aber auch die EU-Kommission, die unbürokratisch entschieden hat, die Magermilchintervention zum Festpreis um die dreifache Menge der ursprünglichen Obergrenze von 107.000 Tonnen fortzusetzen. Die Pulverintervention hat den Käsemarkt entlastet und wieder flott gemacht, vorübergehend aber auch den Buttermarkt belastet. Weshalb die Butterpreise sich von dem Niedrigpreisniveau aus dem Frühjahr bis zum Herbst zu einem neuen Allzeithoch von 4,30 €/kg hochkatapultieren konnten, kann ich Ihnen nicht beantworten. Mir zeigt diese Entwicklung nur, wie schwer es ist, Marktentwicklungen voraus zu sagen.

Die deutsche Agrarpolitik, besonders die Agrarministerkonferenz, angeführt von sieben Agrarministern der Grünen, hat sich in meinen Augen wenig verantwortungsvoll sondern blamabel gezeigt. Vornehmlich ging es um taktische Spielchen zwischen Bund und Ländern wie beim Schwarzer Peter - Spiel. Die Länder spielten gerne den großen Anwalt für die Milchbauern und den Verteidiger bäuerlicher Strukturen, obwohl sie selber gar nichts tun konnten und wollten. Politik lässt sich großartig machen, wenn man selbst beschließen kann, was andere tun und bezahlen sollen.

Immerhin auf Brüsseler Ebene kam ein zweites Hilfspaket mit 500 Mill. Euro zu Stande. 150 Mill. Euro wurden eingestellt, um ein Programm zur freiwilligen Milchmengenreduktion daraus zu stricken, das Ende September EU-weit ausgeschrieben wurde. Milcherzeuger, die ihre Anlieferung von Oktober bis Dezember gegenüber dem Vorjahr reduzieren, erhalten 14 Cent/kg Milch voraussichtlich im Februar ausgezahlt. In Deutschland war das Interesse groß. Allerdings wird es auch einen erheblichen Mitnahmeeffekt geben, weil auch Betriebe, die schon ganz ausgestiegen sind aus der Milchproduktion, aber im Juli noch geliefert hatten, bei dem Programm mitmachen können. Zumindest das Timing für das Programm ist gut. Die Milchpreise steigen in diesem Herbst und so kann die Politik den Erfolg auf ihr Konto buchen.

Beim zweiten Teil des Hilfspakets entfielen 58 Mill. Euro auf Deutschland. National wird diese Summe auf 116 Mill. Euro verdoppelt und an die Milcherzeuger verteilt, die im Zeitraum von Februar bis April des nächsten Jahres unter der Anlieferungsmenge des Vorjahres bleiben. Würde jeder Milcherzeuger teilnehmen, würde wahrscheinlich 0,36 Cent/kg Jahresmenge ausbezahlt. Bei geringerer Teilnahme erhöht sich die Förderung, weil die gesamte Fördersumme über dieses Programm zur Auszahlung gebracht werden soll. Geregelt ist dies im Milchmarktsondermaßnahmengesetz, das der Bundestag letzte Woche verabschiedet hat. Der Bundesrat muss allerdings noch zustimmen.

In diesem Gesetz ist jetzt auch die Gewinnermittlung in der Landwirtschaft nach dem Durchschnitt von drei Wirtschaftsjahren enthalten. Besonders die SPD hatte sich im Bundestag sehr gegen diese Regelung gesperrt. Deshalb soll die Regelung auf neun Jahre begrenzt bleiben. Diese Gewinnglättung wurde auch von uns im LHV massiv gefordert. Sie ist eine sehr wirksame Maßnahme zur Liquiditätssicherung der Landwirtschaftsbetriebe. Sie ist wahrhaftig kein Steuergeschenk, denn alle Gewinne werden weiterhin versteuert. Die Gewinnglättung über drei Jahre ist aber eine sinnvolle Anpassung landwirtschaftlichen Einkommenssteuerrechts angesichts von volatilen Märkten. Leider sind weitere steuerliche Hilfen zur Krisenbewältigung, z. B. Freibeträge zur Schuldentilgung, nicht beschlossen worden.

Eine Maßnahme zur Krisenbewältigung durch die Bundesregierung gilt es aber uneingeschränkt anzuerkennen. Der Bundeszuschuss zur Berufsgenossenschaft wurde dieses Jahr und wird auch nächstes Jahr um 78 Mill. Euro auf 178 Mill. Euro erhöht. Dadurch vermindert sich der Beitrag zur Berufsgenossenschaft für alle Betriebe, die Bundeszuschuss erhalten, um 37 Prozent, ablesbar in der Spitzenabrechnung von Mitte September diesen Jahres.

Für die Liquidität der Betriebe ist es enorm wichtig, dass in diesem Jahr die Zusage steht, dass die Direktzahlungen für die Basis- und Greeningprämie, für die Junglandwirteförderung und für die Umverteilungsprämie zu Gunsten der ersten Hektare Ende des Monats Dezember ausgezahlt werden sollen. Wir hoffen, dass Minister Meyer in diesem Jahr sein Wort halten kann.

Unsere Mitglieder haben in diesem Jahr ihre Konzentration überwiegend auf die Bewältigung der Marktkrise und die Sicherstellung der Liquidität ihrer Betriebe ausrichten müssen. Mit noch mehr Sorge müssen wir jedoch die gesellschaftspolitische Debatte über die moderne Landwirtschaft betrachten. Die Landwirte bringen zu viel Stickstoff aus über Gülle, Gärsubstrat und Mineraldünger und sind damit angeblich verantwortlich für Nitratgefahren im Grund- und Trinkwasser, sie belasten die Gewässer und Meere mit Phosphaten, sie verursachen massive Antibiotikaresistenzen und verursachen somit einen Therapienotstand in Krankenhäusern, die Tierhaltung und Düngung produziert zu viel klimarelevantes Ammoniak, die Artenvielfalt ist gefährdet durch zu viele Pestizide, Tiere leiden unter Qualzucht und schlechte Haltungsbedingungen, so lauten die vielen Vorwürfe.

Eine notwendige Differenzierung bei all diesen Vorwürfen findet meistens nicht statt. Sicherlich es gibt einige Missstände, die die Landwirtschaft schleunigst beseitigen muss, z. B. bei den Nährstoffströmen in den Veredlungshochburgen und bei uns manchmal auch bei der Gülledüngung. Ostfrieslands Landwirtschaft aber muss generell kein schlechtes Gewissen haben. Hier passt die Tierhaltung zur Flächenausstattung der Region, haben die Rinder und Kühe überwiegend noch Weidegang, ist in den letzten Jahren viel in Kuhkomfort in modernen Laufställen investiert worden. Hier haben wir eine vielfältige Kulturlandschaft mit hohem Erholungswert und ungeheuer vielen Landschaftselementen in Form von Wallhecken, Gräben und Gewässern. Gerade bei den jungen Landwirten besteht die Gefahr der Zermürbung und der Resignation unter dem Dauerfeuer von öffentlicher Kritik und von zunehmenden Anfeindungen. In der Ferkelerzeugung sehen wir, dass ständig neue Anforderungen aus der Tierwohldebatte total verunsichern, überfordern, besonders wenn noch keine praktikablen Lösungen für den Verzicht auf betäubungslose Ferkelkastration und das Schwänze kupieren vorliegen, auch nicht aus der kritischen Wissenschaft. Wir sind auf dem besten Wege, die Ferkelproduktion zu einem großen Teil aus unserem Land zu vertreiben mit allen Konsequenzen für Arbeitsplätze, Wertschöpfung im ländlichen Raum oder auch das allgemeine Tierseuchenrisiko durch mehr Ferkelimporte.

Für das nächste Jahr erwarten wir, dass die unendlich lang bearbeitete Dünge-VO und das Düngegesetz in Kraft treten. Beides wird erheblichen Einfluss auf die Agrarstrukturen haben, weil es die Landwirtschaft zu neuen Investitionen in mehr Güllelagerraum und in emissionsarme Ausbringtechnik von Gülle zwingt. Nur leistungsstarke Betriebe mit ausreichenden Gewinnen sind in der Lage, diese Investitionen zu tätigen. Ein Einfluss der Düngegesetzgebung auf den Pachtmarkt ist wahrscheinlich. Nicht alles an der novellierten Dünge-VO ist fachlich plausibel, das gilt besonders für die plausibilisierte Flächenbilanz, die für Grünland und Milchviehhaltung eingeführt wird. Wenn weniger Grundfutterleistung die Nährstoffbilanzen verbessert, dann ist das durchaus irritierend und lenkt in die falsche Richtung. Generell werden wir aber lernen müssen, den Mineraldüngerstickstoff sparsamer einzusetzen und die Effizienz des Stickstoffs aus Wirtschaftsdünger zu erhöhen. Das ist eine Aufgabe, der wir uns stellen müssen und wollen. Übrigens haben wir genau an dieser Thematik vor mehr als 10 Jahren beim LHV schon in einem Grünlandprojekt unter dem Begriff „van Bruchem“ gearbeitet.

Das EU-Parlament hat Ende November die NEC-Richtlinie verabschiedet. Demnach muss Deutschland seine Ammoniakemissionen bis 2030 im Vergleich mit 2005 um 29 % reduzieren. Im EU-Durchschnitt werden nur 19 % Reduktion verlangt. Wie Deutschland diese hohe Reduktion schaffen will, ist mir völlig unklar. Auf jeden Fall wird die Abdeckung von Güllebehältern und der Einbau von Luftwäschern in Schweine- oder Geflügelställe zwingende Notwendigkeit. Immerhin ist Methan nicht in diese Richtlinie einbezogen worden. Das ist wichtig für die Rinder- und Milchviehhaltung. Hier hätten hermetisch geschlossene Ställe den jüngsten Tierwohlentwicklungen in Außenklimaställen total widersprochen.

Bereits vor dem Hintergrund der zukünftigen Budgetverteilung und der Ausrichtung der GAP nach 2020 ist eine heftige Debatte um den Erfolg des Greening entfacht. Hier geht es nicht nur um eine eventuelle Umschichtung von bis zu 15 % der Direktzahlungen der ersten Säule in die zweite Säule, um dort Tierschutz- und Umweltprogramme zu finanzieren. Dies ist bis Mitte nächsten Jahres national zu entscheiden. Hier geht es vielmehr generell um die Fördermittel für eine multifunktionale Landwirtschaft, wie sie im Jahr 2003 in der GAP- Reform eingeführt wurden. Ginge es nach Frau Hendricks, dann müssten diese Gelder komplett umgewidmet werden für Umwelt-, Arten- und Klimaschutz, um eine ganz andere, extensiv ausgerichtete Landwirtschaft mit ausgedehnter Schaf- und Ziegenhaltung zur Grünlandnutzung zu erzwingen. Immerhin will die       Kommission auf die Kritik aus den Umweltverbänden bereits reagieren und ab 2018 Pflanzenschutzmittel auf ökologischen Vorrangflächen, die z. B. mit Leguminosen als Eiweißpflanzen oder mit Zwischenfrüchten bebaut werden, gänzlich verbieten. Das wäre bei uns dann das Ende der Ackerbohne auf den ökologischen Vorrangflächen.

Im Pflanzenschutz war das Gezerre um die Wiederzulassung von Glyphosat nur ein Vorbote für die Schwierigkeiten bei der Zulassung von Pflanzenschutzmitteln. Es droht ein massiver Verlust an Wirkstoffen für den Ackerbau in den nächsten Jahren.

Das Klimaschutzpaket des Umweltministeriums zur Umsetzung des Pariser Abkommens wird auch der Landwirtschaft einiges abverlangen, auch wenn die extreme Forderung nach Halbierung der Tierzahlen fallen gelassen wurde. Ich mag mir gar nicht mehr vorstellen, welche Anforderungen in allernächster Zeit noch alle an die Landwirtschaft in Deutschland in der Umwelt-, Klima- oder Tierschutzpolitik gestellt werden. Dabei steht leider zu befürchten, dass die Folgenabschätzung dieser Politikanforderungen auf die Wettbewerbsfähigkeit der heimischen Landwirtschaft nur marginal berücksichtigt werden wird.

Auf die Milchviehhalter kommt bei uns ab dem nächsten Jahr neuer Aufwand zu, weil die Kennzeichnung durch Kaltbrand beendet werden muss. Wieder geht ein gutes Verfahren als Managementhilfe für die Milchbauern aus vermeintlichen Tierschutzgründen verloren.

Die Paratuberkulose ist eine ernst zu nehmende Darmerkrankung der Rinder, bei der Niedersachsen als erstes Bundesland Pflöcke einschlagen will. Der LHV hat zusammen mit Tierärzten und Kreisveterinären überzeugende Kritik an der geplanten Landesverordnung vorgebracht. Diese Verordnung wird jetzt gründlich überarbeitet und die Bedenken aus der Grünlandregion aufnehmen. Ein Para-TB-Minderungsprogramm ist prinzipiell für die Rinderhaltung zu begrüßen. Es muss aber so gestrickt werden, dass die Belastungen für die Betriebe getragen werden können, die Risiken für die Exportlizenzen beherrschbar bleiben. Auf die Details kann ich hier nicht eingehen, weil dieses Thema allein einen Abend füllen würde.

In diesen Wochen wurde in den westlichen Demokratien viel über den aufkommenden Populismus und seine Ursachen diskutiert. In einer komplexen Welt verfangen sich einfache Antworten, sind Emotionen oft wichtiger als Fakten. Nach Landtagswahlen ist mehrfach von dem „ Postfaktischen“ gesprochen worden, bei dem Fakten und Argumente in der Politik nicht mehr zählen. Der neu gewählte Präsident Donald Trump hat gemeint, er verdanke seinen Erfolg gerade den neuen sozialen Medien. Wahrscheinlich hat er dabei Recht. Wahrscheinlich ist auch der Brexit durch die heutige Form der Kommunikation begünstigt worden. Für viele Menschen läuft die Kommunikation und Information heute überwiegend über das Smartphone. Hier sind die Kommunikationsstränge meistens aber sehr einseitig und auf die Bestätigung der eigenen Weltanschauung eingefiltert. Beim Brexit und bei der Präsidentenwahl in den USA wurden bewusst unwahre Meldungen und diffamierende Lügen über diese Kanäle lanciert. Wer sich nur einseitig über diese Kanäle informiert, unterliegt einem Echoeffekt. Er wird nur in seiner Anschauung bestätigt, andere Informationen erreichen ihn nicht oder werden als Lügen abgetan.

Ich glaube, es ist eine gefährliche Entwicklung für unsere Demokratie, wenn immer weniger Bürger regelmäßig eine gute Zeitung lesen, Nachrichten schauen oder hören oder politische Magazine lesen. Unsere Demokratie benötigt den gut informierten Bürger, der selbst abwägt und sein Urteil bildet. Durch die Smartphone-Kommunikation verkümmert die Kommunikation in der Gesellschaft, geht das Ringen um die besten Lösungen und Antworten verloren und es entstehen gespaltene polarisierte Gesellschaften, wie in Großbritannien bei den unversöhnlichen Lagern für oder gegen eine EU-Mitgliedschaft.

Im nächsten Jahr ist in Deutschland Bundestagswahl. Landwirtschaft steht dabei ganz oben auf der Agenda, dafür sorgt allein schon die Partei der Grünen. Es wäre gut, wenn wir eine breite Debatte über den richtigen Weg der Landwirtschaft, dominiert von Fakten und Argumenten, führen könnten. Wir als Landwirtschaft müssen allerdings fürchten, dass genau dieses unterbleiben wird, weil Falschinformation, Einseitigkeit und Emotion jede fruchtbare Debatte im Keim ersticken. Bei einem solchen Wahlkampf drohen die Bauern an den Rand gedrückt zu werden, droht das Landwirtschaftsthema missbraucht zu werden. Wenn ein gewisser Anton Hofreiter in diesen Tagen ausführt, die Agrarpolitik in Deutschland würde nur Verlierer produzieren und wäre u. a. auch für die Flüchtlingsströme nach Europa verantwortlich, dann gehört dieses leider auch nur in die Abteilung Attacke und Agitation zur Befriedigung der eigenen Klientel.

Mit einer solchen Aussage befindet sich Anton Hofreiter auf dem Niveau eines von ihm so heftig gescholtenen Donald Trump. Stimmung mag zwar Stimmen bringen. Für eine nachhaltig gute Zukunft unseres Landes und unserer Gesellschaft sollten wir aber ein höheres Niveau im Wahlkampf anstreben. Die Grünen, angeblich unsere ganze Gesellschaft, wollen eine Agrarwende. Auch wir Bauern haben zur Agrarwende unsere Vorstellungen, Wünsche und Hoffnungen.

Wir erhoffen uns Ehrlichkeit von der Politik und kein Wecken von falschen Hoffnungen. Politik muss auch sagen, was sie nicht kann, z. B. globale Märkte beeinflussen. Politiker sollten eindeutig ihre politischen Ziele benennen und Doppelzüngigkeit vermeiden. Politik sollte Planungssicherheit für private Investoren, z. B. in Tierställe sicherstellen. Wer heute einen Stall baut, der benötigt die Sicherheit, diesen Stall in den nächsten 20 Jahren der Abschreibungszeit auch nutzen zu können. In der Veredlung ist dies derzeit in keiner Weise gegeben.

Der ländliche Raum und die Landwirtschaft benötigen wieder auf die Zukunft ausgerichtete Investitionen. Wir müssen aufhören, nicht getätigte Investitionen als Zukunftsorientierung zu feiern. Wir müssen aufhören, ständig von Bürokratieabbau zu sprechen und gleichzeitig immer neue Aufzeichnungen und Meldungen in Datenbanken zu verlangen.

Der naturwissenschaftlichen Erkenntnis und Forschung soll wieder Vorrang vor Ideologie eingeräumt werden. Auch in Deutschland bekommt die Landwirtschaft einen Auftrag zur Welternährung beizutragen. Neue Auflagen und Vorschriften sind wissenschaftlich abgeleitet und ihrer Einführung geht eine ökonomische und ökologische Folgenabschätzung voraus. Landwirtschaft und Grünen Berufen wird wieder mit Fairness und Respekt begegnet. Für neue gesellschaftliche Anforderungen werden angemessene und realistische Zeiträume für die Anpassung festgelegt.

Die deutsche Agrarpolitik berücksichtigt die Einbettung in der EU und in globale Abkommen und fördert die Wettbewerbsfähigkeit nationaler Ernährungswirtschaft bei der Infrastruktur ländlicher Räume sowie bei Forschung und Entwicklung. Stalleinbruch bleibt Hausfriedensbruch und wird vom Rechtsstaat geahndet. Das Monopol für Verwaltungsvollzug und behördliche Kontrolle liegt beim Staat und nicht bei den Verbänden des Naturschutzes und des Tierschutzes. Weitere Verbandsklagerechte werden nicht eingeführt. Aber auch das gehört zu unseren Wünschen:

Landwirte praktizieren die Verbundenheit mit ihrem Beruf, verhalten sich solidarisch im Berufsstand und übernehmen Verantwortung für das Gemeinwesen.

Dies sind unsere Wünsche für die Agrarwende. Eigentlich sind diese Wünsche Selbstverständlichkeiten. Aber in der Landwirtschaft ist jede Selbstverständlichkeit verloren gegangen. Die Welt wird komplexer, die Welt wird fragiler. Heimische Landwirtschaft kann ein Stabilitätsanker in dieser Welt sein, wenn man ihr diesen Platz zuweist.

Hoffen wir gemeinsam für das Wahljahr 2017, übrigens im Bund, im Landvolklandesverband und im LHV, dass einige dieser Wünsche aufgegriffen und umgesetzt werden.

 

Copyright © Landw. Hauptverein für Ostfriesland e.V. - Südeweg 2 - 26607 Aurich - Telefon: 0 49 41 / 60 92 50
Zum Seitenanfang