Landwirtschaftlicher Hauptverein für Ostfriesland e.V.

04.04.2016

Dialogreihe "Politik für Land und Leute" zum Thema: Milchkrise – Wie kommen wir zu fairen Preisen?

Justus Ackermann, Christian Meyer und Ottmar Ilchmann (v.l.n.r.)
Etwa 250 Zuhörer fanden sich bei Meta in Hesel ein.
Auch viele junge Landwirte waren in Hesel.

Landwirtschaftsminister Christian Meyer, Ottmar Ilchmann (AbL) und Justus Ackermann (Aufsichtsratsvorsitzender der Molkerei Ammerland sowie Kreislandwirt) diskutierten am Montag, den 4. April 2016 in Hesel im Rahmen der Dialogreihe „Politik für Land und Leute“ zum Thema „Milchkrise – Wie kommen wir zu fairen Preisen?“. In der Diskussion konnten sich die Landwirte aus dem Publikum ebenfalls zu Wort melden.

 

Viele Landwirte nutzten die Gelegenheit Meyers Ideen zu der Krise zu hören, dazu kam dann allerdings recht wenig. Erst einmal setzte Meyer seinem Publikum die rosa Brille auf, wie schön Ostfriesland sei, dass das seiner Wunschlandwirtschaft entspreche, in der alles in Ordnung sei und wie sehr er sich für die Milchbauern einsetze. In seinem Eingangsstatement machte er deutlich, dass Hogan und Schmidt die „Blockierer“ seien, was Maßnahmen zur Verbesserung der Situation der Landwirte anginge. Die Reaktion des Publikums fiel verhalten aus und Moderator und ML-Pressesprecher Klaus Jongebloed musste die Landwirte zum Beifall erst auffordern.

 

Zunächst erläuterte Ackermann den Hintergrund für die derzeitige Situation. Mehrere Aspekte kämen zum Tragen, als Beispiele nannte er den weggefallenden Russlandmarkt oder die verhaltene Nachfrage aus China und den erdölexportierenden Ländern. Dazu käme ein weltweit expansives Verhalten in der Milcherzeugung. Angesprochen auf die Ankündigung der Molkerei Ammerland, sie wolle zukünftig ein Biomilch-Sortiment aufbauen, erklärte er, dass sie damit auf eine zunehmende Nachfrage der Landwirte reagieren würden.

 

Ilchmann zeigte sich mit dieser Entwicklung nicht sehr glücklich, da er befürchte, dass zu viele umstellungswillige Betriebe den Markt für Bio-Milch kaputt machen würden. Meyer hingegen zeigte sich erfreut über das wachsende Interesse an der ökologischen Bewirtschaftung und wies darauf hin, dass er die Förderung für die Umstellung auf Biolandbau erhöht habe.

 

In seinen Ausführungen ging Ilchmann von einem baldigen „massiven Exodus der Betriebe“ aus und forderte, es müsse schnell etwas passieren, sei es auf Molkereiebene, wie es z.B. Friesland-Campina erfolgreich vorgemacht hätte, oder auf europaweiter Ebene, wie es das BDM-Konzept vorsehe. Alle Lösungsvorschläge müssten auf einen Tisch kommen und unabhängig und neutral bewertet werden. Dies forderte auch Meyer und sprach sich im gleichen Satz für das Milchmarkt-Krisenmanagement aus. Angesprochen auf die in diesem Zusammenhang von den Grünen in Auftrag gegebene Studie des ife-Instituts, welches daraus resultierende Preiseffekte als geringfügig beurteilt, sagte Meyer, dass es so viele Studien gäbe, da wisse er nicht, welcher er da noch glauben solle. So viel zum Thema unabhängige und neutrale Bewertung…

Weitere Vorschläge seitens des Publikums, wie beispielsweise eine Abschlachtprämie oder der Einsatz von Milchpulver im Schweinefutter, wurden rigoros abgelehnt.

 

Ackermann erläuterte, weshalb Friesland Campina ihr Mengenreduzierungsmodell kurzzeitig eingesetzt habe. Danach hätten die angelieferten Mengen in den Niederlanden kurzzeitig nicht mehr verarbeitet werden können, da der neue Sprühturm nicht rechtzeitig fertig gewesen sei. Nach dessen Fertigstellung hätten die Landwirte wieder „normal“ liefern können. Die Kosten für Friesland-Campina hätten 40 Cent für jeden nicht gelieferten Liter Milch betragen. Eine teure Angelegenheit, die nicht zu einem höheren Milchpreis geführt hätte und zudem von allen Lieferanten habe getragen werden müssen.

Für Meyer und Ilchmann waren solche Kosten aber unwichtig, die Menge sei doch reduziert worden, das sei die Hauptsache. „Wir müssen nach jedem Strohhalm greifen“ so Ilchmann und weiter: „Wir sind hier in einer Ungunst-Region, wir haben aufgrund des hohen Grünlandanteils keine Alternativen.“

 

Als eine mögliche Soforthilfe-Maßnahme schlug Ackermann vor, Liquiditäts- und Bürgschaftsprogramme schnell und unbürokratisch umzusetzen. Dies führe zwar nicht zu einer Milchpreiserhöhung, aber überbrücke zumindest die finanziellen Engpässe. Viele der bisher gemachten Vorschläge seien eher langfristig angelegt, die Bauern aber bräuchten jetzt sofort Hilfe. Er forderte zudem, dass die von den Milcherzeugern EU-weit erhobene Superabgabe in Höhe von 900 Mio. Euro nicht im EU-Haushalt versickern dürfe und ausschließlich für den landwirtschaftlichen Sektor verwendet werden müsse.

Meyer erklärte, dass derzeit ein weiteres EU-Hilfspaket geschnürt werde, dass es aber wichtiger sei, Angebot und Nachfrage ins Gleichgewicht zu bringen. Auf die Forderung eines Landwirts, die 900 Mio. Euro aus der Superabgabe für die Landwirte zurückzuholen, antwortete er nicht.

 

Neben der Forderung, wonach die Milchmenge runter müsse, wurde auch Kritik an der Arbeit des Landvolks geäußert und der Wunsch, das Landvolk möge sich ebenfalls für eine Mengensteuerung einsetzen und mit dem BDM zusammenarbeiten. Ackermann stellte in diesem Zusammenhang klar, dass gerade das Landvolk die Eigenverantwortung des Unternehmers für ein hohes Gut halte und sich daher nicht in die Betriebsplanung der Betriebe eingemischt und niemanden zur Erweiterung der Milchviehhaltung gedrängt habe. Sich einzustellen auf eine Zeit nach der Quote heiße nicht automatisch Betriebswachstum. Ackermann betonte weiterhin, dass sowohl das Landvolk als auch die Genossenschaftsmolkereien demokratisch aufgebaut seien und in beiden Bereichen nach den bisherigen Diskussionen und Erkenntnissen eine Mengensteuerung nicht mehrheitsfähig sei. Dies habe sich an der Basis auf diversen Zweigvereins- und Molkereiversammlungen immer wieder bestätigt. Gespräche mit dem BDM gebe es auch, so Ackermann, man komme aber nicht in allen Punkten auf einen Nenner, er plädiere aber dafür, bei den Gemeinsamkeiten weiter zu arbeiten und zeigte sich dementsprechend für weitere Gespräche offen. Als Beispiel hierfür nannte er die geplante Düngeverordnung, die Weidehalter massiv benachteilige.

Auf wenig Gegenliebe stießen diese Angebote bei Ilchmann, der diese mit den Worten „Die Politik von Landvolk, Milchindustrieverband und Molkereien führt uns in den Abgrund“ ablehnte.

 

Im weiteren Verlauf der Veranstaltung kamen z. B. auch Fragen auf zur Novelle der Düngeverordnung, Anmerkungen zum Export von Rindern oder die Stärkung der Molkereien gegenüber dem Einzelhandel, z.B. durch die Bildung von Vermarktungskontoren. Meyer betonte in seinen Antworten, dass er sich doch für die Landwirte einsetze und ein Verbot fordere, wonach nichts unter dem Einstandspreis verkauft werden dürfe. Mag sein, dass sich der Minister bei dieser Forderung nicht im Klaren darüber war, dass es dieses Verbot bereits seit einiger Zeit gibt.

Außerdem, so Meyer, wolle er die Landwirte zum jetzigen Zeitpunkt nicht mit weiteren Auflagen belasten. "Ich habe den so genannten „Kaltbrand-Erlass“ ja auch schon wieder zurückgenommen." so Meyer und weiter versichert, dass die „Enthornungssache“ derzeit auch nicht weiter verfolgt werde. Das bedeutet im Umkehrschluss jedoch, dass bei steigenden Erzeugerpreisen noch so einiges auf die Landwirte an Auflagen zukommen wird.

„Jeder Landwirt hat ein Recht auf hohes Einkommen!“ war ein weiteres Statement von Meyer. „Das finde ich gut“, meinte ein Landwirt, „ich habe gerade kein Einkommen, kann ich das hohe Einkommen nun bei Ihnen einfordern?“ „Zu dieser Aussage stehe ich“, so Meyer, auch wenn er sicherlich den Landwirten nicht wirklich etwas zahlen möchte.

 

In Sachen Düngeverordnung nahm Meyer nur zum Thema der Anrechnungswerte für Weidehaltung Stellung, er setze sich gegen die Erhöhung ein. Fragen zu seiner Haltung die Umstellung der Berechnungssysteme (Stichwort Hoftorbilanz) betreffend, ließ er unbeantwortet.

 

Die Frage der Weidehaltung war an diesem Abend ein wiederkehrendes Thema. Meyer lobte die Weidemilchcharta, die er auf den Weg gebracht habe und sprach sich für eine weitere Förderung aus. Konkreter wurde die Förderaussage dann aber nicht. Auch auf Nachfrage eines Landwirts, der die mit der Weidehaltung eingehenden höheren Kosten ansprach, nicht. Die Frage, wie Weidehaltung mit der Ansiedelung von Wölfen in Einklang zu bringen sei, wies Jongebloed mit dem Hinweis zurück, dass dafür Meyers Kollege Wenzel zuständig sei. Aus Sicht der Landwirte wäre es aber dennoch begrüßenswert, wenn der Landwirtschaftsminister sich auch in dieser Angelegenheit für sie einsetzen würde.

 

Letzen Endes gab es aus Sicht zahlreicher anwesender Landwirte außer heißer Luft aber nicht viel von Meyer. Sein Lob über die „gute“ ostfriesische Landwirtschaft helfe nicht weiter, so ein enttäuschter Landwirt. Für viele der Anwesenden wurde deutlich, dass der Kampf von Minister Meyer gegen die "Agrarindustrie" auf dem Rücken der Familienbetriebe ausgetragen werden wird, die er doch eigentlich schützen will.

Gerade die ostfriesischen Betriebe waren von den verspäteten Prämienzahlungen betroffen. Geänderte und verschärfte Auflagen, Erlasse und Gesetze werden für alle gelten, so auch für die Familienbetriebe, die an der zusätzlichen Bürokratie ersticken. Gleiches gilt übrigens auch für seine verbalen Attacken (z.B. Nitrat im Wasser, Antibiotika usw.) gegen eine konventionelle Landwirtschaft, die vor niemandem Halt machen, egal ob klein oder groß. Viele der bäuerlichen Familien fühlen sich inzwischen durch derartige Aussagen verunglimpft. Die entsprechenden Bilder in der Öffentlichkeit wieder gerade zu rücken, wird die Arbeit aller Landwirte bleiben.

 

Das Resümee eines Landwirts am Schluss der Veranstaltung: „Wir kennen das schon: Schöngerede und viele Versprechungen von Meyer, aber weder Taten noch hilfreiche Maßnahmen. Schuld sind wie immer die anderen.“

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