20.05.2016
Kupieren der Ringelschwänze bedeutet auch noch ein Stück Tierschutz
An den Ringelschwänzen der Schweine scheiden sich zurzeit die Geister. Den Einen sind die intakten Ringelschwänze sichtbares Zeichen für tiergerecht gehaltene Schweine. Politiker möchten die auf vielen Höfen ausgeübte Praxis des Schwänzekupierens möglichst umgehend verbieten. Tierhalter dagegen wissen um die damit verbundenen Gefahren und wehren sich gegen die Verunglimpfung als "Tierquäler", die ihnen vorschnell entgegenschallt. Den besten Einblick in die Realität landwirtschaftlicher Schweinehaltung bietet deshalb ein Termin "vor Ort".
Sauenhalter und Schweinemäster kennen die Folgen des Schwanzbeißens unter Schweinen. Mit einem eher spielerischen Knabbern am Ringelschwanz anderer Stallinsassen fängt es an, diese harmlose Neckerei kann rasch üble Folgen haben. "Für uns Landwirte bedeutet das Kupieren der Ringelschwänze auch ein Stück Tierschutz", verdeutlicht Manfred Tannen, Sauenhalter aus Bensersiel. Er hat Journalisten auf seinen Hof eingeladen, um ihnen den Eingriff vorzuführen. Verschiedene vorbeugende Maßnahmen haben er und der nachgelagerte Aufzuchtbetrieb ausprobiert, bisher leider ohne überzeugenden Erfolg. Unterschiedliche Beschäftigungsmaterialien wurden den Schweinen angeboten, das Stallklima überprüft und optimiert. Doch Manfred Tannen und sein Mäster sehen sich bei den möglichen Veränderungen im Management ihrer Schweineställe zurzeit am Ende angekommen. Tannen hat deshalb bei seinem Tierarzt eine Ausnahmegenehmigung für das Kupieren der Schwänze eingeholt. Es ist ein kleiner Eingriff mit großer Wirkung.
Als "Kupieren" oder "nicht kurativen Eingriff" bezeichnen Kritiker den Cut. Die Ferkel bekommen die kurze Aktion kaum mit. Einige Grundsätze sind allerdings zu beachten, erklärt Schweinehalter Tannen. Er packt das Ferkel behutsam am Hinterbein und holt es aus der Bucht. Maximal ein Drittel des kleinen Ringelschwanzes wird abgetrennt, zwischen den Wirbeln. Manfred Tannen setzt kein Messer an, sondern nutzt ein Heißschneidegerät. Das Schwanzende wird durch Hitze leicht verödet, es kommt zu keinerlei Blutungen, die Wunde wird sofort verschlossen und somit auch vor eindringenden Keimen geschützt. Das Ferkel zeigt sich wenig beeindruckt und läuft anschließend sofort zur Muttersau, um weiter zu saugen. Manfred Tannen schildert: "Dieser kleine Eingriff, der am ehesten einer Schutzimpfung vergleichbar ist, hat auch eine ähnliche Wirkung. Es verhindert das Schwanzbeißen recht zuverlässig". Zurzeit sieht er kaum eine andere Chance, seine Ferkel und späteren Mastschweine des Aufzuchtbetriebes vor dieser eher spielerischen Unart zu bewahren. Der Verzicht darauf könnte dagegen für jedes einzelne Tier verheerende Folgen haben.
Hintergrund:
Der Verzicht auf das Kürzen der Ferkelschwänze wird bundes- und landesweit intensiv diskutiert. In Niedersachsen wird 2011 in dem vom damaligen Landwirtschaftsminister Gert Lindemann vorgestellten Tierschutzplan ein Ende des Kupierens ins Auge gefasst. Echte Lösungswege zeichnet aber weder der Niedersächsische Tierschutzplan noch das 2014 von Bundeslandwirtschaftsminister Christian Schmidt vorgelegte Eckpunktepapier vor. Eine von Niedersachsens Landwirtschaftsminister Christian Meyer in Aussicht gestellte "Ringelschwanzprämie" würde nach Überzeugung vieler Landwirte eher mehr Tierleid auslösen und kaum zu mehr Tierschutz führen.
Sauen- und Schweinehalter sind seit längerer Zeit gemeinsam auf der Suche nach Auswegen, um auf das Kupieren der Schweineschwänze verzichten zu können. Sie suchen dabei nach Unterstützung durch Wissenschaft, Beratung und Tierärzte. Forscher sprechen von einem multifaktoriellen Problem, das schon vor Jahrzehnten in der Schweinehaltung bekannt war. Der Weg zum Ziel dürfte eher aus maßgeschneiderten Bausteinen für jeden einzelnen Tierhalter bestehen. Ein für alle Tierhalter umsetzbares Konzept zeichnet sich nicht ab.
Wichtige Ansätze in Richtung Kupierverzicht: